Österreich befindet sich in einer Abschwungphase

Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO). © Johannes Brunnbauer

Die Ökonomen des WIFO prognostizierten für 2022 und 2023 eine Konjunkturabschwächung durchweg aller Wertschöpfungsbereiche. 2022 wird von einem Wachstum des realen BIP in Höhe von 4,8% ausgegangen. Für das Folgejahr beschränkt sich das Wirtschaftswachstum auf 0,2%. Die anhaltende Präsenz der Inflation im Jahre 2023 wird laut Experten eine Stagflation mit sich ziehen. 

“Aufgrund ihrer höheren Erdgasintensität dürfte eine Rationierung infolge möglicher Versorgungsengpässe die deutsche Wirtschaft härter treffen als die österreichische”, so Christian Glocker, einer der Autoren der aktuellen WIFO-Prognose. 

Im 1. Halbjahr 2022 befand sich die österreichische Volkswirtschaft noch in einer Phase der Hochkonjunktur, die bereits im Herbst 2020 begonnen hatte. Nun setzt jedoch ein Abschwung ein, der gemäß Vorlaufindikatoren kräftig ausfallen wird. Damit dürfte der Konjunkturaufschwung der letzten beiden Jahre jäh enden. 

Erdgasintensität der österreichischen und der deutschen Wirtschaft

Hauptergebnisse der Prognose

Die weitgehende Aufhebung der behördlichen COVID-19-Maßnahmen hat den Dienstleistungssektor und insbesondere den privaten Konsum zeitweise stark beflügelt. Dieser Effekt läuft nun aus. Nun werden die dämpfenden Einflüsse des internationalen Umfeldes stärker auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen. Einerseits trübt die Abschwächung der Weltkonjunktur den Ausblick für die heimischen Warenexporte und damit für die Industrie und die Investitionen. Andererseits stellen die markant gestiegenen Weltmarktpreise für Rohstoffe, Energie und Intermediärgüter einen negativen Terms-of-Trade-Schock dar. Er hält den inländischen Preisauftrieb hoch und verursacht Realeinkommensverluste, die den privaten Konsum dämpfen. Staatliche Konsumstützungsausgaben wirken dem jedoch entgegen. 

Unter diesen Bedingungen wird Österreichs Wirtschaft im Jahr 2022 noch um 4,8% expandieren und damit stärker wachsen als im Vorjahr (2021 +4,6%). Neben einer moderaten Industriekonjunktur tragen 2022 vor allem die Dienstleistungen zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei. Im Folgejahr dürfte die Dynamik allerdings stark abebben (2023 +0,2%). 

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Die Konjunktur führt 2022 noch zu einer günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Neben einem deutlichen Beschäftigungsanstieg (+2,7%) dürfte die Arbeitslosigkeit trotz einer Ausweitung des Arbeitskräfteangebots sinken (-19,6% gegenüber dem Vorjahr). Für 2023 wird dagegen nur mehr ein schwacher Beschäftigungszuwachs (+0,5%) und ein Anstieg der Arbeitslosen- quote auf 6,7% erwartet (2022: 6,4%). 

Die prognostizierte Abflachung der konjunkturellen Dynamik wird sich nur langsam auf die Preise auswirken. Die Inflationsrate laut Harmonisiertem Verbraucherpreisindex (HVPI) wird 2022 auf 8,4% anziehen (2021: 2,8%). 2023 wird sich der Preisauftrieb zwar geringfügig auf 6,6% ab- schwächen, er bleibt jedoch im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt kräftig. Für 2023 wird somit eine hohe Inflation und zugleich eine Stagnation der Realwirtschaft erwartet. Damit steuert Österreich das erste Mal seit den 1970er-Jahren auf eine Stagflation zu. 

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