Die Stahlindustrie verursacht etwa 7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen und hält damit einen bedeutenden Hebel zur Bewältigung der Klimakrise in Händen. Für eine grünere Stahlproduktion wird wesentlich mehr Stahlschrott benötigt, doch dieser könnte im internationalen Wettbewerb zu einem knappen Gut werden, wie eine Vorstudie des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und des Complexity Science Hub (CSH) zeigt.
In Übereinstimmung mit den EU-Klimazielen sollen bis 2050 EU-weit 80 bis 95 Prozent der CO2-Emissionen in der Stahlproduktion eingespart werden. „Eine wichtige Maßnahme zur Erreichung dieser Vorgaben ist die Umstellung auf eine grünere Technologie bei der Stahlherstellung“, erklärt ASCII-Direktor und CSH-Wissenschafter Peter Klimek. „Länder mit einer starken Stahlindustrie – wie Österreich, wo die Stahlproduktion für 16% der CO2-Emissionen verantwortlich ist – betrifft das ganz besonders.“
Ein Schlüsselelement bei der Umstellung ist der Ersatz konventioneller, kohlenstoffintensiverer Sauerstoffeinblasöfen durch strombetriebene, elektrische Lichtbogenöfen. In diesen kann Schrott zur Herstellung von Stahl verwendet werden. So wird Abfall zur Ressource.
Umstrukturierung des Schrotthandels
Die Ausschöpfung dieses Potentials ist jedoch eng mit den Schrotthandelsströmen des jeweiligen Landes und dem Bestand an entsprechenden Handelsunternehmen verbunden. „Eine grünere Stahlproduktion wird davon abhängig sein, wie viel Schrott am Markt verfügbar ist und ob die notwendige Infrastruktur für den Transport vorhanden ist“, erklärt Klimek.
„Erste Ergebnisse unserer Forschung deuten darauf hin, dass Schrott ein limitierender Faktor in Europa werden könnte,“ so der Forscher. Das Team von Wissenschaftern des ASCII und des CSH haben dazu Handelsdaten aus 15 Jahren (2007 – 2021) zusammen mit Informationen zu mehr als 5.000 Unternehmen im Metallschrotthandel analysiert. Ihr Fazit: Um die Stahlproduktion zukunftsfähig zu machen und den Nachschub abzusichern, brauche es eine tiefgreifende Umstrukturierung des globalen und europäischen Schrotthandels sowie eine erhebliche Anpassung der zugrundeliegenden Unternehmenslandschaft.
China als weltweit größter Stahlproduzent
Um 1.000 Tonnen Stahl zu produzieren, muss mit einem jährlichen Anstieg der Schrotteinfuhren um 550 Tonnen und einem Rückgang der jährlichen Ausfuhren um 1.000 Tonnen geplant werden. So gehen die Wissenschafter davon aus, dass Schrott in Zukunft zu einer strategischen Ressource wird, was mit einer massiven Umstrukturierung der Lieferketten einhergehen wird.
Ein Umstand, der im weltweit größten Stahlproduzenten – China – bereits spürbar ist. In den letzten Jahren haben sich die Schrotthandelsströme dort weitestgehend vom Weltmarkt entkoppelt. „Zur gleichen Zeit setzen viele Länder in Europa derzeit auf Schrottexport und laufen dadurch Gefahr, sich von einem wertvollen Rohstoff für ihre eigene Industrie zu trennen“, erklärt Klimek.
Durch jedes zusätzliche Schrottunternehmen könnten in der EU etwa 79.000 Tonnen Stahl mithilfe von Elektrolichtbogenöfen produziert werden, so die Ergebnisse der Forschenden. „Wenn wir diesen Wert weiterdenken, könnten einige hundert neue Unternehmen erforderlich sein, die unseren Berechnungen zufolge wiederum rund 35.000 Arbeitnehmer beschäftigen könnten“, so CSH-Präsident Stefan Thurner.
Kooperation mit voestalpine
Um die Umsetzbarkeit einer “grünen” Stahlproduktion in Österreich zu ergründen, ist nun ein gemeinsames Projekt zwischen dem ASCII und dem Complexity Science Hub mit der voestalpine geplant. Dabei sollen sowohl die Marktdynamik inklusive der Schrottverfügbarkeit als auch mögliche logistische Herausforderungen untersucht werden.
(pi)