Rückläufige Bewertungen erschwerten 2023 das M&A-Geschäft

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Das weltweite M&A-Transaktionsvolumen sank 2023 um 15 Prozent. Grund dafür ist das vorsichtigere Verhalten potenzieller Käufer und unterschiedlichen Preisvorstellungen. Trotz des niedrigsten Werts in den letzten zehn Jahren erwarten Experten aufgrund steigender Aktivitäten zum Jahresende 2023 und möglicher Zinssenkungen eine Belebung des globalen M&A-Geschäfts im Jahr 2024, insbesondere durch vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz und Chancen für finanzstarke Unternehmen, sich durch Zukäufe zu stärken.

Das weltweite M&A-Transaktionsvolumen ist  2023 um 15 Prozent auf 3,2 Billionen US-Dollar gesunken – den  niedrigsten Wert in den vergangenen zehn Jahren. Angesichts  steigender Zinsen, konjunktureller Unsicherheit sowie verschärfter  Prüfungen durch Aufsichtsbehörden agierten potenzielle Firmenkäufer  erheblich vorsichtiger. Laut einer Befragung von weltweit rund 300  M&A-Verantwortlichen, die im Rahmen des “Global M&A Report 2024 der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company durchgeführt  wurde, scheiterten Vertragsabschlüsse jedoch vorrangig an  unterschiedlichen Preisvorstellungen. Mehr als zwei Drittel der Käufer nannten dies als entscheidende Hürde. Ebenso viele gaben an, auf ein verbessertes Umfeld zu warten. Der Bain-Report analysiert die weltweiten Entwicklungen der letzten zwölf Monate, geht detailliert auf 14 verschiedene Branchen ein und gibt einen Ausblick für das laufende Jahr.

“Viele Marktteilnehmer haben sich 2023 zurückgehalten. Nur wenige waren bereit, zu Tiefstständen zu verkaufen”, erklärt Kai Grass, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Mergers & Acquisitions (M&A)
in der EMEA-Region, den erneuten Rückgang bei den Dealvolumina. Das EBITDA-Multiple bei strategischen Transaktionen lag mit 10,1 so niedrig wie nie in den vergangenen 15 Jahren. Doch nun steige der Handlungsdruck, so Grass: “Einige Unternehmen werden 2024 verkaufen, um Liquidität zu erhalten. Andere werden nicht länger zögern und ihr Portfolio bereinigen. Da sich auch die Zinsen stabilisiert haben, wird sich der Stau bei M&A-Transaktionen aller Voraussicht nach auflösen.” Der Marktkenner erwartet einen harten Wettbewerb um  attraktive Deals.

Einbruch im Technologiesektor

Der schrumpfende M&A-Markt im vergangenen Jahr verdeckt erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen und Käufergruppen. Den größten Einbruch musste 2023 der Technologiesektor verkraften. Hier sank das globale Transaktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 213 
Milliarden US-Dollar beziehungsweise 43 Prozent. Im Energie- und Gesundheitssektor gab es dagegen erhebliche Zuwächse.

Zuwachs des Energiesektors

Auch in Deutschland legte der Energiesektor gegen den Landestrend zu. Die Übernahme des Heiztechnikherstellers Viessmann durch die US-amerikanische Carrier Group führte zudem zu einem deutlichen Anstieg der Volumina in der Fertigungsbranche. Insgesamt belief sich 
das strategische M&A-Transaktionsvolumen in Deutschland 2023 auf rund 67 Milliarden US-Dollar. Von der höheren Nachfrage nach Healthcare-Firmen profitierte wiederum der Schweizer Markt, in diesem
Sektor fanden dort vier der sechs größten M&A-Deals im vergangenen Jahr statt. Insgesamt blieb das strategische M&A-Transaktionsvolumen in der Schweiz mit rund 29 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.

Strategische Investoren schlagen sich besser als Finanzinvestoren

Bei den Käufergruppen schlugen sich strategische Investoren wesentlich besser als Finanzinvestoren. Das weltweite Dealvolumen vonPrivate-Equity-Fonds ging im vergangenen Jahr um 37 Prozent zurück, 
bei den Strategen beschränkte sich der Rückgang auf 6 Prozent. Vor allem regelmäßige Firmenkäufer ließen sich von den widrigen Rahmenbedingungen nicht abschrecken, 71 Prozent von ihnen erwarben seit Beginn der Zinswende zumindest ein weiteres Unternehmen.

Mit Blick auf Langzeitanalysen erklärt Bain-Partner und M&A-Experte Dr. Tobias Umbeck: “Wer in schwierigen Zeiten weiter im M&A-Geschäft aktiv bleibt, erwirtschaftet langfristig höhere Aktienrenditen.” Das aktuelle Umfeld bilde da keine Ausnahme. Allerdings müssten sich potenzielle Firmenkäufer mit einer neuen Herausforderung auseinandersetzen: “Das Verhalten der Aufsichtsbehörden hat sich verändert. Wer eine weitreichende Transaktion plant, benötigt Überzeugungskraft und Ausdauer”, so Umbeck.

Regulatorische Auflagen erschweren das M&A-Geschäft

In den vergangenen zwei Jahren wurden weltweit Firmenübernahmen mit einem Volumen von zumindest 361 Milliarden US-Dollar von Aufsichtsbehörden hinterfragt. Bei nahezu allen der letztendlich 
genehmigten Deals gab es Auflagen. Und das erst nach einiger Zeit. Bei umstrittenen Transaktionen vergehen mittlerweile zwischen der Ankündigung und dem Closing im Durchschnitt zwölf Monate.

Während die Aufsichtsbehörden Prozesse bei M&A-Deals tendenziell verzögern, könnte künstliche Intelligenz (KI) sie deutlich beschleunigen. Derzeit nutzen der Bain-Befragung zufolge erst 16 
Prozent der M&A-Verantwortlichen generative KI. In den kommenden dreiJahren dürfte dieser Anteil voraussichtlich auf 80 Prozent ansteigen.Die bisherigen Nutzer setzen KI-Werkzeuge vor allem in frühen Phasen bei Transaktionen ein und berichten in den meisten Fällen von erheblichen Produktivitätsgewinnen.

Belebung 2024 erwartet

Ein vermehrter KI-Einsatz kann die Effizienz aller Beteiligten bei einer Übernahme erhöhen. Ein weiterer Grund für Bain-Partner Grass, einen optimistischen Ausblick zu geben: “Die Chancen stehen gut, dass
sich das globale M&A-Geschäft ab 2024 belebt.” Der Marktkenner verweist auf die zunehmenden Aktivitäten zum Jahresende 2023 hin, dienach wie vor hohe Zahl aufgeschobener Transaktionen sowie mögliche Zinssenkungen im Jahresverlauf.

Finanzstarke und langfristig denkende Firmenkäufer sollte auch die anhaltende geopolitische und konjunkturelle Unsicherheit nicht abschrecken. Im Gegenteil: “Konjunkturelle Schwächephasen und 
disruptive Zeiten haben schon immer die Unternehmen gestärkt, die in einem solchen Umfeld aktiv geblieben sind”, so Grass. “Das gilt auch für das Jahr 2024. Tatkräftige Unternehmen haben gerade jetzt die Chance, sich durch Zukäufe von der Konkurrenz abzusetzen.”

(pi)

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