Lebensmittelverschwendung: Problembewusstsein verdoppelt

Werner Kirsch, Ansprechpartner für Sustainability im Bereich Cloud & Custom Applications bei Capgemini in Österreich. © Capgemini Österreich

Das Problembewusstsein für Lebensmittelverschwendung hat sich weltweit in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Vor allem Faktoren wie die hohen Lebensmittelpreise, Welthunger und Klimawandel führen zu einem Umdenken bei den Konsumenten. Das geht aus der neuen Studie des Capgemini Research Institute „Reflect. Rethink. Reconsider. Why food waste is everybody’s problem“ hervor.

Für die Studie wurden weltweit 10.000 Verbraucher sowie Führungskräfte in 1.000 Unternehmen aus der Lebensmittelproduktion und dem Einzelhandel befragt. Verbraucher suchen zunehmend nach Möglichkeiten, ihre Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Die Suche in sozialen Medien, wie die Lebensdauer von Lebensmitteln verlängert werden kann, haben weltweit im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zugenommen. Dazu motiviert werden Verbraucher vor allem durch die hohen Lebensmittelpreise (56 Prozent) sowie Besorgnis über den Welthunger (52 Prozent) und den Klimawandel (51 Prozent).

60 Prozent der Verbraucher haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie Lebensmittel wegwerfen. Aber sie sehen auch Einzelhändler und Lebensmittelhersteller in der Pflicht: Fast zwei Drittel (61 Prozent) der Verbraucher wünschen sich, dass Marken und Händler mehr tun, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. 57 Prozent sind enttäuscht, dass sich Unternehmen nicht genug um dieses Problem kümmern.

Verbraucher wünschen sich mehr und besser verständliche Informationen

Zwar ergreifen viele Unternehmen bereits Maßnahmen, um die Lebensmittelverschwendung in den Geschäften und Verbrauchern zu Hause zu reduzieren. Für ihre Kunden gehen diese allerdings noch nicht weit genug. So geben 60 Prozent der Unternehmen an, dass sie Verbraucher über die Bedeutung von Begriffen wie „Mindesthaltbarkeitsdatum“ oder „Verfallsdatum“ aufklären. Aber nur 39 Prozent der Verbraucher empfinden diese Informationen als ausreichend verständlich.

Beispielsweise wünschen sich Verbraucher digitale Etiketten (etwa mit QR-Codes), die ihnen mehr Informationen über den Weg und die Qualität des Produkts liefern. Bisher erhalten sie Information darüber, wie sie Lebensmittelabfälle reduzieren können, vor allem aus anderen Quellen: Zwei Drittel (67 Prozent) informieren sich bei Freunden, Familie, Influencern und in sozialen Medien darüber. Nur ein Drittel (33 Prozent) findet solche Informationen auf Verpackungen, in Werbespots oder Kampagnen von Lebensmittelherstellern und -händlern.

Für Unternehmen ist Nachhaltigkeit eine Chance für Kundenbindung

Mit dem wachsenden Problembewusstsein der Konsumenten sind Lebensmittelhändler und -hersteller unter Zugzwang neue Maßnahmen zu ergreifen. Fast die Hälfte der Verbraucher würde Freunden und Verwandten raten, nicht bei Unternehmen einzukaufen, die sich nicht um Lebensmittelverschwendung kümmern. Zudem möchten 91 Prozent bevorzugt bei Marken und Einzelhändlern einkaufen, die Informationen über ihre Lebensmittelabfälle offenlegen. 58 Prozent der Verbraucher wollen mehr Geld bei Unternehmen ausgeben, die aktive Schritte gegen Verschwendung unternehmen. „Konsumenten haben hohe Erwartungen an Unternehmen, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und nachhaltig zu handeln. Sie wünschen sich verständliche, klare Botschaften und leicht zu bedienende Tools. Diese Tools sollen ihnen dabei helfen, ihre eigenen Lebensmittelabfälle zu reduzieren und Kosten zu senken. Für Marken bietet das eine Chance, die Kundenbindung zu stärken“, erklärt Werner Kirsch, Ansprechpartner für Sustainability im Bereich Cloud & Custom Applications (C&CA) bei Capgemini in Österreich.

Die größten Hindernisse: Komplexe Technologie und unklare Gesetzeslage

Allerdings stellt es für viele Unternehmen noch eine Herausforderung dar, entsprechende IT-Lösungen effektiv einzusetzen. Ein Großteil der Unternehmen im deutschsprachigen Raum gaben an, dass derzeit noch nicht ausreichend Daten mit Supply-Chain-Partnern wie Lieferanten geteilt werden. Und für mehr als drei Viertel (78 Prozent) ist es eine Herausforderung, neue Tools in bestehende Systeme zu integrieren.

Drei von vier Unternehmen (77 Prozent) haben sich den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN SDG 12.3) verpflichtet, nach denen Lebensmittelabfälle im Einzelhandel und beim Verbraucher pro Kopf halbiert und die Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferketten bis 2030 reduziert werden sollen. Allerdings haben bisher nur 15 Prozent der Organisationen diese Ziele erreicht oder sind auf dem besten Weg sie zu erreichen.

Fragmentierte Lebensmittelketten erschweren die Nachvollziehbarkeit

Im Einzelhandel und auf Verbraucherseite ist die Reduktion von Lebensmittelverschwendung bereits ein viel beachtetes Thema. In der Produktion und Distribution sind Lebensmittelverluste jedoch höher als im Handel und bei Verbrauchern (1,5 Mrd. Tonnen im Vergleich zu 931 Mio. Tonnen[1]). Der Studie zufolge ist dies auf einen fragmentierten Ansatz bei der Bekämpfung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zurückzuführen.

Zwar ist fast die Hälfte der Lebensmittelproduzenten und -händler darauf fokussiert, Abfälle in der vorgelagerten Logistik sowie in der Verarbeitung und Verpackung zu reduzieren. Aber nur etwa ein Fünftel schenkt der landwirtschaftlichen Produktion oder der folgenden Lagerung (Downstream-Logistik) die gleiche Aufmerksamkeit. Insbesondere für kleinere Unternehmen ist es schwierig, entlang internationaler Lieferketten nachzuvollziehen, wo und wie viele Lebensmittel verloren gehen. Nur 19 Prozent der kleineren Unternehmen überwachen und dokumentieren Lebensmittelverschwendung, im Vergleich zu 64 Prozent der größeren Unternehmen.

Werner Kirsch dazu: „Mit Hilfe von innovativer Technologie können Unternehmen auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette verfolgen, wo Lebensmittelverschwendung entsteht, und zum richtigen Zeitpunkt Maßnahmen ergreifen. Eine agile, intelligente Supply Chain ermöglicht zudem die effektive Zusammenarbeit mit Lieferanten und Partnern, um ein nachhaltiges, zukunftsfähiges Ökosystem zu schaffen.” (pi)

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