Die Handelsumsätze in Österreich sind im zweiten Quartal um 3,4 Prozent zurückgegangen. Zahlreiche Betriebe mussten bereits schließen, während die Konsumenten mit einem finanziellen Stress belastet sind.
Der österreichische Handel musste im zweiten Quartal 2023 laut Statistik Austria einen inflationsbereinigten Rückgang der Handelsumsätze von minus 3,9 Prozent verkraften. Im Lebensmitteleinzelhandel liegt das Minus bei 1,6 Prozent, im Großhandel bei minus 5,9 Prozent und der Handel mit Nicht-Nahrungsmitteln verbuchte ein reales Minus von 6,4 Prozent. Der preisbereinigte Halbjahresvergleich 2023 zeigt für den gesamten Handel einen Einbruch der Handelsumsätze von minus 3,4 Prozent.
“Der Handel verzeichnete heuer im zweiten Quartal in fast allen Warengruppen starke Verluste aufgrund der multiplen Krisen, die einen heftigen Kaufkraftrückgang ausgelöst haben. Vor allem im Non-Food-Handel sind die jüngsten Zahlen besorgniserregend, die Umsätze sind um 6,4 Prozent regelrecht erodiert”, bilanziert Rainer Will, Geschäftsführer des unabhängigen, überparteilichen Handelsverbandes.
“Im Lebensmitteleinzelhandel zeigt das Minus von 1,6 Prozent deutlich, dass sich drei Viertel aller Menschen inflationsbedingt auf den Kauf günstiger Lebensmittel beschränken. Krisengewinner sucht man im österreichischen Handel vergeblich, fündig wird man hingegen bei den Energiekonzernen und globalen Nahrungsmittelproduzenten”, so der bundesweite Sprecher des österreichischen Handels.
6.400 Betriebe im Einzelhandel mussten bereits schließen
Die neuesten Zahlen der Statistik Austria und des Kreditschutzverbandes 1870 bestätigen die herausfordernde Lage im Handel, auf die der Handelsverband seit vielen Monaten hinweist. “Allein in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres mussten im Einzelhandel 6.400 Betriebe schließen, eine Steigerung von plus 141 Prozent. Für die gesamte Branche ist das ein Kahlschlag sondergleichen”, bestätigt Rainer Will.
Finanzieller Stress bei Konsumenten
Die Herausforderungen werden sich im zweiten Halbjahr noch verstärken, sollte die verfügbare Kaufkraft weiter sinken und die exorbitante Steigerung bei den Fremdkapitalzinsen und Mietkosten anhalten. Das belegt auch die jüngste Konsumentenbefragung des Handelsverbandes. Demnach fühlen sich 65 Prozent der Österreicher finanziell gestresst, während 63 Prozent weitergehend ihre Haushaltsausgaben im Handel eingeschränkt haben. Des Weiteren kauft ein großer Anteil (77 Prozent) verstärkt günstige Lebensmittel und Eigenmarken. Auch Beschränkungen, wie der Kauf von nur lebensnotwendigen Gütern (19 Prozent) oder das Bezahlen von Rechnungen (12 Prozent) sind Problemstellen der österreichischen Bevölkerung. Weiters können 16 Prozent der Befragten zurzeit nicht alle Schulden ordnungsgemäß bedienen.
Verbesserung der allgemeinen Stimmung der Konsumenten
Im Sommer hat sich auf der anderen Seite jedoch die Stimmung der Konsumenten sichtlich gebessert. So ist das allgemeine Zukunftsvertrauen im August den dritten Monat in Folge gestiegen. Auch die Einkommenserwartung für die nächsten Monate hat sich leicht verbessert. Den Höhepunkt der Inflation sieht die Bevölkerung überschritten: Inzwischen rechnet eine deutliche Mehrheit der Befragten nur noch mit leicht steigenden bis gleichbleibenden Preisen.
In der Folge hat sich auch die Konsumneigung zuletzt wieder verbessert. Sagten im Mai noch 68 Prozent der Befragten, sie hätten ihre Ausgaben im Handel in den letzten Wochen eingeschränkt, waren es im August nur noch 63 Prozent.
Vom Ausgabenverzicht am stärksten betroffen sind weiterhin die Branchen Möbel, Uhren/Schmuck und Bekleidung. Am wenigsten gespart wird laut Eigenangaben bei Drogeriewaren/Hygieneprodukten und Bio-Lebensmitteln.
Ausgaben verlagern sich vom Handel auf Dienstleistungen
Die österreichischen Dienstleistungsunternehmen haben im 1. Halbjahr 2023 ein sattes Umsatzplus von 8,7 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres erwirtschaftet. Das geht vor allem auf einen Umsatzzuwachs von 21,3 Prozent im Bereich Beherbergung und Gastronomie zurück.
Bereits im Gesamtjahr 2022 waren die Ausgaben für Dienstleistungen sprunghaft um 20,8 Prozent angestiegen. Davon entfielen auf die Gastronomie Mehrausgaben von 4,1 Milliarden Euro (plus 41,3 Prozent), auf Urlaube 3,6 Milliarden Euro (plus 60,5 Prozent) und auf die Freizeitgestaltung 2,3 Milliarden Euro (plus 27 Prozent).
(pi)