Gewaltprävention am Arbeitsplatz

Gegen Gewalt am Arbeitsplatz muss zielgerichtet vorgegangen werden. ©Pixabay

Gewalt am Arbeitsplatz erhöht sich auf internationaler Ebene. Deswegen ist die richtige Gewaltprävention wichtiger denn je. Gewerkschaften vida und GPA, AK Wien und WEISSER RING halten eine internationale Tagung bezüglich dieses Themas in Wien ab.

Weltweit nimmt Gewalt am Arbeitsplatz zu. Die Menschen befinden sich aufgrund des steigenden Wettbewerbs, der aggressiven Gesellschaft, der Pandemie und ihrer Folgen sowie der explodierende Teuerung immer mehr unter Druck. Gewalt kann viele Formen annehmen, weswegen die Folgen von Gewalt im Job ebenfalls unterschiedlich sind. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Dienstleistungsberufen und im Verkehrssektor.

Die AK Wien, die Gewerkschaften vida und GPA setzen sich bei der heutigen Tagung „Bedroht, beschimpft, geschlagen – Schutz vor Gewalt am Arbeitsplatz – wichtiger denn je!“ gemeinsam mit dem Verein für Verbrechensopferhilfe WEISSER RING u.a. mit Präventionsmaßnahmen hinsichtlich Gewalt am Arbeitsplatz auseinander. Ziel ist, mehr Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Außerdem werde Themen- und Problemfelder angesprochen, aber auch konkrete Informations- und Serviceleistungen aufgezeigt. Die Teilnehmer sind sich einig, dass die Gewaltprävention im Job sich erhöhen muss. Vorfälle und Übergriffe müssen systematisch erfasst, Präventionsmaßnahmen und Schulungen zur Deeskalation angeboten und Opfern bei der Bewältigung ihrer teils traumatischen Erfahrungen geholfen werden.

Arbeitgeber müssen Schutz bieten

K-Präsidentin Renate Anderl betont, dass Arbeitgeber die Pflicht hätten, Arbeitsbedingungen im Betrieb zu schaffen, die der Gewalt den giftigen Nährboden entziehen. “Sie müssen gezielte Schutzmaßnahmen ergreifen, um das Gewaltrisiko für die ArbeitnehmerInnen zu reduzieren – und zwar bevor Gewalt entsteht. Ein weiterer, längst überfälliger Schritt ist die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz: Das ILO-Übereinkommen schützt alle ArbeitnehmerInnen, weist auf die große Verantwortung der AkteurInnen der Arbeitswelt bei der Bekämpfung von Gewalt und Belästigung hin und legt in diesem Rahmen die Rolle der Regierungen und der Sozialpartner eindeutig fest. Die österreichische Bundesregierung muss dieses Übereinkommen endlich ratifizieren und sich damit klar zu einer Arbeitswelt bekennen, in der Gewalt und Belästigung keinen Platz haben.“

Betriebsvereinbarung notwendig für Gewaltprävention

ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann betonte die Notwendigkeit von Betriebsvereinbarungen für die Prävention: „Für Gewalt gegen Frauen darf es null Toleranz geben, das gilt auch für das Arbeitsleben. Die Rolle der BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen ist in der Prävention besonders wichtig. Betriebsvereinbarungen sind ein zentrales Instrument, um Gewalt am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen sind es aber auch, die tagtäglich für die KollegInnen da sind und verantwortungsvolles Führungsverhalten einfordern. Wir danken für ihren Einsatz und stehen als ÖGB und Gewerkschaften mit Rat und Tat zur Seite. Die ÖGB-Frauen werden sich auch weiterhin für stärkere rechtliche Verankerung von Gewaltprävention einsetzen, wie etwa für die Ratifizierung und Umsetzung des ILO-Übereinkommens gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.“

Aktiv werden, um etwas zu verändern

Von zunehmender Gewalt im Job seien insbesondere Beschäftigte aus dem Verkehrs-, Dienstleistungs-, Gesundheits- und Tourismusbereich nachweislich betroffen, sagt Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida. Gewalt im Job darf nicht einfach hingenommen werden, sondern es muss aktiv dagegen vorgegangen werden. Viele Beschäftigte würden resignieren, sich nicht wehren. „Nur wer aktiv wird, kann etwas verändern. Mut und Zivilcourage – dazu wollen wir mit unserer Plattform Tatort Arbeitsplatz motivieren, denn Gewalt im Job darf nicht als Berufsrisiko abgetan werden“, betont der vida-Vorsitzende. Nicht nur die Bundesregierung sei bei diesem Thema gefordert, auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) müsse im Rahmen der gemeinsamen Schutzstrategie für ArbeitnehmerInnen bis 2027 mehr tun. „Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen beeinträchtigt nicht nur Würde und Gesundheit. Gewalt in den Betrieben hat auch dramatische Folgen für die Entwicklung der Produktivität und verursacht gravierende Kosten im Gesundheitssystem für die gesamte Gesellschaft“, so Hebenstreit bei der Tagung.

Ganz besonders Frauen und Jüngere von verbaler Gewalt betroffen

Sandra Steiner, stv. Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, berichtete bei der Veranstaltung über die Ergebnisse einer Studie:
„Die GPA hat im Zuge einer Aktionswoche unter dem Motto ‚Sicher ohne Gewalt am Arbeitsplatz‘ das Meinungsforschungsinstitut IFES mit einer Umfrage beauftragt. Die Ergebnisse stützen eindeutig die Einschätzungen und Berichte unserer KollegInnen und zeigen, dass vor allem Frauen und auch Jüngere insbesondere von verbaler Gewalt betroffen sind. Ganz zentral ist auch, dass vor allem Arbeitsdruck und Personalmangel als Konfliktverstärker wahrgenommen werden. Es fehlt vielfach an ausreichenden Maßnahmen und Vorkehrungen gegen diese Risiken und somit liegt auch auf der Hand, dass ArbeitgeberInnen ihre Verantwortung zum Schutz ihrer Beschäftigten vielfach nicht ausreichend wirksam wahrnehmen. Wir wenden uns ganz klar gegen die Auffassung, dass Übergriffe, Aggressionen, Belästigungen sozusagen als Berufsrisiko gesehen werden sollen, mit dem die betroffenen ArbeitnehmerInnen zurechtkommen müssen. Betroffene ArbeitnehmerInnen ermutigen wir, Gewalt am Arbeitsplatz in keiner Form hinzunehmen und die GPA unterstützt dabei natürlich auch umfassend.“

Kooperationen im Kampf gegen Gewalt am Arbeitsplatz

Udo Jesionek, Präsident WEISSER RING, thematisiert die Vorteile von Kooperationen zur Eindämmung der Gewalt im Job an: „WEISSER RING und Gewerkschaft vida arbeiten bereits seit vielen Jahren vertrauensvoll und erfolgreich zum Thema Tatort Arbeitsplatz zusammen. Es freut mich sehr, dass wir diese Kooperation mit dem heute unterzeichneten Arbeitsübereinkommen auf eine neue Basis stellen. Wer an seinem Arbeitsplatz Opfer von situativer Gewalt wird – also von KundInnen oder KollegInnen attackiert wird – erhält beim WEISSEN RING kostenlose Unterstützung und Begleitung. Viele Betroffene wissen leider weder über ihre Rechte als Opfer noch über die Möglichkeiten, sich Hilfe und Beratung zu holen, Bescheid. Ich sehe in dieser Kooperation einen wichtigen Schritt, allen Opfern von Gewalt den gleichen Zugang zu ihren Rechten zu ermöglichen.“

Gewalt muss wieder aus dem Alltag raus

Elke Hannack, stv. Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), plädierte in ihrer Zuspielung über Video für einen Bewusstseinswandel im Sinne der arbeitenden Menschen:
„Die Zahlen und die täglichen Erfahrungen unserer Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass Gewalt für diejenigen, auf die sich unsere Gesellschaft tagtäglich verlässt, Alltag geworden ist. Hier muss endlich gegengesteuert werden. So müssen Vorfälle systematisch erfasst, Präventionsmaßnahmen wie Schulungen zur Deeskalation implementiert und von Gewalt Betroffenen bei der Bewältigung ihrer teils traumatischen Erfahrungen geholfen werden. Die öffentlichen Arbeitgeber und Verkehrsunternehmen stehen hier in der Pflicht. Doch auch uns als Gesellschaft geht diese Entwicklung etwas an. Auch wir müssen uns der Gewalt entgegenstellen. Mit unserer Initiative appellieren wir daher auch an die Bürgerinnen und Bürger, sich stets bewusst zu machen: Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch. Mit dieser Botschaft streiten wir in der Öffentlichkeit, bei Arbeitgebenden und der Politik für einen Bewusstseinswandel und für greifbare Verbesserungen für die Menschen, die täglich für uns im Einsatz sind.”

Nähere Information zu Initiative Tatort Arbeitsplatz sind unter diesem Link zu finden: https://www.vida.at/cms/S03/S03_1.8.1.a/1342566416771/vida/kampagnen/tatort-arbeitsplatz/starke-initiative

(pi)

Upcoming events