Digitale Verwaltungsdienstleistungen haben Bürger und Behörden in den vergangenen zwei Jahren dabei unterstützt, die Corona-Pandemie zu bewältigen. Doch gerade im Gesundheitsbereich sind viele Leistungsangebote der Verwaltung noch nicht online verfügbar. Das zeigt die 19. Ausgabe des eGovernment Benchmarks der Europäischen Kommission. Der Report analysiert, wie weit die Digitalisierung von Behördendiensten in Europa fortgeschritten ist und betrachtet erstmals auch spezifisch digitale Gesundheitsleistungen. Die Studie wurde von Capgemini geleitet und gemeinsam mit der Tochtergesellschaft Sogeti sowie den Partnern IDC und Politecnico di Milano erstellt.
Im Durchschnitt stehen in Europa mehr als acht von zehn Behördendienstleistungen (81 Prozent) online zur Verfügung, in Österreich sind es bereits 89 Prozent. Angebote im Bereich Gesundheit sind dabei seltener online verfügbar – in Österreich zu 65 Prozent und damit nur etwas mehr als europäischen Durchschnitt (63 Prozent). Der Report bescheinigt Behörden besonders im Hinblick auf die Transparenz digitaler Gesundheitsangebote noch Nachholbedarf. Unter anderem fehlen bei den entsprechenden Services Informationen darüber, wie Prozesse aufgebaut sind und in welchem Umfang auf persönliche Daten zugegriffen wird.
Digitales Leistungsangebot von Krankenhäusern auf niedrigem Niveau
Drei europäische Länder sind Vorreiter für digitale Gesundheitsservices und weisen in diesem Bereich einen hohen Reifegrad auf: Luxemburg (97 Prozent), Estland (93 Prozent) und Malta (91 Prozent). Dagegen haben acht der untersuchten Länder einen Reifegrad von weniger als 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Bürger in diesen Ländern bei Gesundheitsdienstleistungen weitestgehend auf nicht-digitale Mittel zurückgreifen müssen.
Obwohl Online-Informationen im Gesundheitsbereich in den meisten europäischen Länder (77 Prozent) einfach zugänglich sind, stecken wichtige Prozesse in Krankenhäusern, wie etwa die Terminvergabe oder elektronische Sprechstunden, noch in den Kinderschuhen. Dies gilt besonders für ausländische Bürger, die nur drei von zehn digitalen Diensten nutzen können (34 Prozent). Sie gaben außerdem als größtes Hindernis an, dass englischsprachige Informationen auf Krankenhaus-Webseiten fehlten.
Sead Harmandic, Chapter Lead Public Sector bei Capgemini in Österreich, kommentiert die Ergebnisse so: „Der digitale Reifegrad staatlicher Leistungen schreitet Jahr für Jahr voran. Gerade die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, warum dies so wichtig ist. Gute digitale Fähigkeiten und Funktionalitäten im Gesundheitsbereich haben Länder in die Lage versetzt, die Pandemie besser zu bewältigen. Sie waren beispielsweise bei der Organisation von Impfkampagnen und der Dezentralisierung von Behandlungen während Lockdowns unerlässlich.
Der diesjährige eGovernment Benchmark zeigt aber auch Lücken auf, die bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch bestehen. In der Pandemie war beispielsweise der Datenaustausch zwischen Gesundheitsämtern und Landes- oder Bundesbehörden von zentraler Bedeutung. Hier hat sich gezeigt, dass Prozesse noch stärker digitalisiert und vereinheitlicht werden müssen, um die Datenqualität zu erhöhen und einen Mehrwert für die Krisenbewältigung zu erzielen.“
Bei Zugänglichkeit und Barrierefreiheit müssen Behörden weiter nachbessern
Der Report unterstreicht, dass der zukünftige Erfolg der digitalen Verwaltung grundsätzlich davon abhängt, ob Online-Angebote für alle Nutzer zugänglich sind. Derzeit unterscheiden sich die Leistungsangebote noch in ihrem digitalen Reifegrad, je nachdem, an welche Zielgruppe sie sich richten: Angebote für Unternehmen sind zu 91 Prozent digital verfügbar, Angebote für Bürger jedoch nur zu 77 Prozent. Staatsbürger haben digitalen Zugriff auf 81 Prozent der Leistungen, Nutzer aus anderen Ländern nur auf 46 Prozent. Zudem erfüllen nur 16 Prozent der Webseiten des öffentlichen Sektors die Kriterien für Barrierefreiheit.
Nutzerfreundlichkeit ist ein Schlüsselfaktor für eGovernment
Dem Report zufolge legen die europäischen Länder großen Wert auf die Nutzerfreundlichkeit digitaler Angebote: 87 Prozent der Webseiten von Behörden verfügen über eine Feedback-Funktion, und neun von zehn Webseiten sind für mobile Endgeräte optimiert. Bei zwei Dritteln der Dienste ist es Nutzern möglich, sich mit der Online-Ausweisfunktion (eID) zu identifizieren. In 67 Prozent der Online-Antragsformulare werden Felder automatisch mit vorhandenen Informationen vorausgefüllt. Zwar stellen die Länder zunehmend eIDs zur Verfügung und teilen Daten über Behörden-Grenzen hinweg, um Online-Formulare vorauszufüllen. Dies ist allerdings noch nicht die Norm: Obwohl die Verwendung von eIDs zunimmt, erlauben derzeit weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Dienste ein Single Sign-On.
„Eine medienbruchfreie Nutzung ist für die Digitalisierung der Verwaltung essenziell, damit Bürgerinnen und Bürger die Online-Angebote als echten Mehrwert empfinden“, so Harmandic weiter. „Dafür braucht es noch mehr Interoperabilität über verschiedene staatliche Stellen und Ebenen hinweg, sowohl technisch als auch prozessual und rechtlich.”