Nachhaltige Fonds: Wie wirken sich Taxonomie und Energiekrise aus?

Armand Colard, Experte für nachhaltige Fonds bei ESG plus
Armand Colard, Geschäftsführer von ESG plus © M. Wiglinzki

Tatsächlich Grün oder nur „Grünfärberei“? Dass gemäß EU Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich gelten sollen, erschwert Anlergerinnen und Anlegern die Auswahl bei den Nachhaltigen Investmentfonds. Unterstützung bieten diverse Analysen: So hat die AK OÖ in Zusammenarbeit mit der Plattform Cleanvest 180 selbsternannte nachhaltige Fonds in Österreich unter die Lupe genommen.

Nachhaltige Geldanlagen lagen 2021 im deutschsprachigen Raum voll im Trend. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Aber es ist davon auszugehen, dass Privatanleger und institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen auch im Vorjahr nachhaltige Fonds favorisiert haben. Diese Produkte reklamieren für sich, nach den ESG-Prinzipien gemanagt zu werden, wobei ESG für Umwelt, soziale Standards und verantwortliche Unternehmensführung steht (engl. Environment, Social and Government).

Den Menschen wird zusehends bewusst, dass die alltäglichen Entscheidungen – von Lebensmitteln und Kleidung bis hin zur Mobilität – ihren Nachhall auf die Umwelt haben. Auch Veranlagungen an den Kapitalmärkten gelten als großer Hebel, um Energiewende und Ressourcenschonung zu unterstützen. Und auch Anlegerinnen und Anleger wollen ihren Teil dazu beitragen.

Nachhaltige Fonds: Skepsis hält sich

Doch immer noch fehlen klar umrissene, einheitliche Standards. Es ist für Anlegerinnen und Anleger weiterhin nicht einfach, sich im breiter und breiter werdenden Angebot zurechtzufinden. Und viele Interessierte sind immer noch skeptisch, wie „grün” oder sozial nachhaltig oder ethisch Investmentfonds beispielsweise sind, die den Zusatz „ESG”, „Green”, „Umwelt” oder „nachhaltig” im Namen tragen.

Damit Anlegerinnen und Anleger besser informierte Entscheidungen treffen können, hat die EU die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor eingeführt (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz „SFDR“). Auch die Taxonomie-Verordnung ist Teil des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums.

Fondsgesellschaften stufen ihre Fonds selbst ein

Diese EU-Taxonomie definiert, welche Tätigkeiten unter welchen Bedingungen in der EU als nachhaltig gelten. Ziel der Taxonomie ist u.a., Greenwashing zu verhindern und Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu stärken.

Allerdings: Die Fondshäuser stufen ihre nachhaltigen Fonds für die Offenlegungsverordnung selbst ein. Als „hellgrüne” Fonds (Artikel 8-Fonds) gelten jene, die Nachhaltigkeits-Aspekte berücksichtigen, aber keinen ausschließlichen Fokus auf Nachhaltigkeit haben. Die sogenannten „dunkelgrünen” Artikel 9-Fonds verfolgen tatsächlich Nachhaltigkeitsziele. Dies kann bedeuten, dass die CO2-Intensität niedrig gehalten wird oder die Fondsmanager „Impact” auf die Unternehmen erzielen durch aktives Wahrnehmen ihrer Anlegerrechte.

Zusätzlich zu dieser Klassifizierung gibt es diverse Gütesiegel für den nachhaltigen Finanzbereich. Darunter fällt auch das Österreichische Umweltzeichen (UZ49), das seit 2004 Finanzprodukte nach eigenen Nachhaltigkeitskriterien bewertet.

Orientierungshilfe

Eine Plattform, die schon seit längerem bestrebt ist, sowohl Privatanleger als auch Vermögensberater dabei zu unterstützen, ist das Vergleichsportal Cleanvest. Initiator der kostenlosen Onlineplattform ist die ESG Plus GmbH.

Nun liegt eine kritische Bewertung des Konsumentenschutzes der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) in Zusammenarbeit mit Cleanvest vor. Sie zeigt deutliche Unterschiede unter den 180 selbsternannten nachhaltigen Fonds in Österreich auf.

Erdgas und Atom gelten seit 2023 als „grün”

Zwei Faktoren könnten die an ESG-Investments interessierten Anlegerinnen und Anleger in letzter Zeit – zustätzlich zur mangelnden Information darüber, wie Fondsmanager konkret die Gelder einsetzen – ein wenig verunsichert haben. Das ist zum einen die Tatsache, dass die EU Erdgas- und Atomkraftaktivitäten in die Taxonomie aufgenommen hat. Seit 2023 gelten somit Investitionen in diese Technologien unter bestimmten Bedingungen in der EU als „grün“ – zumindest als „Übergangstätigkeiten“ auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Der zweite Umstand ist, dass Kohle in vielen Ländern als Energieträger ein Comeback feiert. Im Nachbarstaat etwa sind etliche Kohlekraftwerke im Kampf gegen die durch den Ukrainekrieg mit verursachte Energiekrise wieder ans Netz gegangen beziehungsweise hat Deutschland zuletzt die Kohleimporte erhöht.

„Versuch der Umdeutung”

„Dinge, die vorher – auch abseits der Energiefrage – fraglos als nachhaltig gegolten haben, erfahren teils eine Umdeutung”, berichtet ESG Plus-Geschäftsführer Armand Colard. „Beziehungsweise wollen sich bestimmte Industrien in die neutrale, sogar ,grüne‘ Ecke reklamieren”. Als Beispiel nennt der Experte die Rüstungsindustrie, die argumentiert, dass sie zur Sicherheit der Nationen beitrage.

In der Praxis dürften beide Faktoren bislang ohne Niederschlag auf die konkreten Veranlagungsprozesse in den nachhaltigen Fonds geblieben sein, zumindest im deutschsprachigen Raum, meint Colard. „Die Sache mit der Atomenergie und dem Erdgas in der EU-Taxonomie wurde von der Finanz-Community nicht gut aufgenommen. Dies wurde andererseits von den Fondsgesellschaften nicht als ,Carte Blanche‘ genutzt, die Fondszusammensetzungen zum Nachteil zu verändern“.

Grün ist nicht gleich grün

Nach wie vor aber gibt es große Unterschiede bei den Nachhaltigkeits-Fonds: von super-nachhaltig bis hin zu solchen, wo durchaus fossile Investments getätigt werden. Bei Investmentfonds, die das Umweltzeichen-Siegel tragen, sei die Gefahr des „mehr Schein als Sein” geringer, so Colard.

Jedenfalls hat der Konsumentenschutz der AK OÖ hat in Zusammenarbeit mit den Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten von ESG Plus 23 Nachhaltigkeitskriterien mit 122 thematischen Unterkriterien entwickelt. Auf dieser Basis wurden die 180 nachhaltigen Aktien-, Anleihen- und Mischfonds am österreichischen Markt bewertet. Die Details aller Fonds der AK-Analyse inklusive deren Nachhaltigkeitsergebnis, Entwicklung und Kosten sind hier im Internet zu finden: www.cleanvest.org/ak-oö

Greenwashing oder nur das andere Ende der Skala?

Der vorletzte Fonds im AK-Ranking, der „Erste Bond Dollar Corporate” wirbt in seinem Factsheet damit, dass im Veranlagungsprozess ökologische und soziale Faktoren integriert werden, heißt es. Tatsächlich habe der Anleihenfonds zum Zeitpunkt der Erhebung unter anderem Anteile der Öl- und Gas-Konzerne Enel SpA, ExxonMobil und Royal Dutch Shell enthalten. Zusätzlich finden sich auch eine Reihe von Automobilherstellern wie Daimler oder Fluggesellschaften wie Delta Air Lines im Portfolio.

Spätestens hier werde klar, so die AK OÖ, dass „die Perspektive von Fondmanagerinnen und Fondsmanagern und die Erwartungshaltung der Konsumenteninnen und Konsumenten deutlich auseinander liegen, wenn es darum geht, ob ein Fonds nachhaltig ist”.

„Rechtlich ist die Vorgangsweise in Ordnung”

Rechtlich geht diese Vorgangsweise nach aktuellem EU-Recht freilich in Ordnung. Die AK OÖ hält daher unter anderem einen Schwellenwert für die Gewichtung der Nachhaltigkeitskriterien für dringend notwendig sowie eine künftig verpflichtende Prüfung durch die jeweils zuständige Finanzmarktaufsicht, bevor ein Fonds als nachhaltig deklariert werden darf.

Ein Problem könnte auch sein, dass nachhaltige Investmentfonds lange Zeit dank des Engagements in Wachstumswerte eine gute Performance vorweisen konnten. Durch die Entwicklungen in der Ukraine hat vor allem der Energiesektor profitiert. Unterdessen haben Unternehmen und Aktien aus dem Technologie-Sektor gelitten. Diese aber waren zuvor oft tragende Säule der guten Renditen der Nachhaltigkeitsfonds. Besonders hart ins Gericht mit nachhaltigen Geldanlagen geht die deutsche Bürgerstiftung Finanzwende in einer jüngst veröffentlichten Studie.

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