Wie komme ich eigentlich zur „richtigen“ Unternehmenskultur?

Unternehmenskultur erfordert ein systematisches Vorgehen und die Einbindung der Mitarbeiter. © Pixabay

Welche Unternehmenskultur sollte eigentlich ein Unternehmen haben, um nachhaltig erfolgreich zu sein? Das ist keine triviale Frage. Sie erfordert ein systematisches Vorgehen, die Einbindung von Mitarbeitern aus den unterschiedlichen Bereichen und eine konstruktive Diskussion – eben zu der Frage, welche Kultur wollen und sollten wir haben. Professor Josef Herget, Director Excellence Institute – Research & Solutions, hat zu dem Thema zahlreiche Bücher veröffentlicht. Lesen Sie im zweiten Teil seiner 7-teiligen Artikelserie, warum sich jeder Manager mit der Unternehmenskultur beschäftigen muss.

In diesem Beitrag wollen wir uns der Bestimmung der für das individuelle Unternehmen richtigen Kulturfaktoren nähern. Bereits daraus lässt sich ableiten, dass es kein Korsett von Kulturfaktoren gibt, die für alle Unternehmen gleichermaßen gelten. Zu unterschiedlich sind die Produkte und Dienste, die Charakteristika der Kunden, die Marktgegebenheiten, die Geschäftsmodelle, die Unternehmensprozesse, die Organisationsstruktur, der gepflegte Managementstil, die Prägung der jeweiligen Mitarbeiter, aber auch die Geschichte des Unternehmens und des Antriebs der Unternehmensgründer.

All das hat zur Folge, dass jedes Unternehmen eine unterschiedliche Ausprägung von relevanten Kulturfaktoren aufweisen wird. Dies gilt umso mehr, wenn es um die gerade aktuellen, in der momentanen Unternehmenssituation wichtigen Kulturfaktoren geht, denn auch diese unterliegen zeitlichen Veränderungen. Die jeweils richtigen Kulturfaktoren sind aber auch nicht in Stein gemeißelt und für alle Zeiten gültig. Auch sie unterliegen natürlich der Dynamik der Märkte, dem Wertewandel, aber auch der Art und Weise, wie die Produkte und Dienste entwickelt, hergestellt und vertrieben werden.

Dies führt uns zur weiteren zentralen Frage: Was ist die richtige und gute Unternehmenskultur für mein Unternehmen? Hier führen wir etwas differenzierter aus. Eine wahrnehmbare, den Mitarbeitern bewusst „starke“ Unternehmenskultur führt zu besseren Unternehmensergebnissen als eine schwach ausgeprägte, unklare Unternehmenskultur. Aber eine starke Unternehmenskultur muss noch lange nicht richtig und zukunftsorientiert sein. Der Unternehmenskultur kommen immer zwei Aufgaben zu, zum einen beeinflusst sie sämtliche internen Funktionen, Prozesse und Aspekte der Leistungserfüllung wie Zusammenarbeit, Termintreue, Einhaltung von Zusagen etc. Sie betrifft also etwa Kulturfaktoren wie Verlässlichkeit, Vertrauen, Wertschätzung, Termintreue, Autonomie, Entscheidungsfindung, Partizipation und weiteres. Diesen Bereich der Unternehmenskultur bezeichnen wir als interne Integration.

Die Unternehmenskultur muss jedoch eine weitere Dimension erfüllen. Sie muss gewährleisten, dass das System Unternehmen mit der externen Umwelt im Austausch bleibt. Eine „gute“ Unternehmenskultur muss daher sicherstellen, dass neue Entwicklungen, sich wandelnde Markt- und Kundenbedürfnisse, Änderungen von Geschäftsmodellen etc. Eingang ins Unternehmen finden. Dafür sind etwa eine Innovations- und Kundenorientierung wichtig, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Marktakteuren in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und weiteres mehr wichtig. Wir sprechen dabei über die externe Integration, die Unternehmenskultur also die adaptive Anpassung des Unternehmens an externe Entwicklungen ermöglichen. Erst diese strategisch adäquate Unternehmenskultur zeichnet die Unternehmen als besonders erfolgreich aus. Schließlich kommt noch ein letzter Aspekt dazu: die Unternehmensführung muss die stetige Adaptierbarkeit der Unternehmenskultur proaktiv und antizipativ angehen.

Eine gute und für das Unternehmen richtige Unternehmenskultur zeichnet sich also dadurch aus, dass sie ein erfolgreiches Miteinander im Innen- und eine Anpassung an relevante Entwicklungen im Außen ermöglicht und diese vom Management proaktiv und antizipativ gefördert wird.

Merkmale einer guten Unternehmenskultur

Die einzelnen Komponenten sind vor allem:

  1. Die Kunden und Märkte mit ihren wechselnden Bedürfnissen. Dies sichert Innovation und Wachstum.
  2. Die Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen nach sinnvollen, motivierenden und fairen Arbeitsbedingungen. Dies gewährleistet Mitwirkung und eine hohe Produktivität.
  3. Die Kapitalgeber mit ihren Erwartungen an ein profitables Investment. Dies sichert Effizienz und sinnvolle Allokation von Ressourcen. 
  4. Ein Management, das auf allen Hierarchieebenen aktives Unternehmertum vorlebt. Es sucht nach Veränderungsnotwendigkeiten und initiiert proaktiv den Wandel. Die Verantwortung hierzu beginnt auf der obersten Ebene – oder wird von dort zerstört. Eine gute Unternehmenskultur fängt mit einer oder ganz wenigen prägenden Personen an und muss alle Managementebenen durchdringen. Das Management muss dabei auf die strikte Einhaltung der Werte achten und Abweichungen nicht dulden. Gerade der langjährige wirtschaftliche Erfolg kann zu Arroganz, Bürokratisierung und „Selbstbeschäftigung“ („Ausruhen auf dem Erfolg“) führen. Dem gilt es entschieden zu begegnen.

Um die relevanten Faktoren zu bestimmen, gibt es unterschiedliche Modelle und Methoden. Ein einfaches und sehr wirksames Modell stellt das von mir entwickelte Diamant-Modell dar.

Das Kultur-Diamant-Modell  (Quelle: Herget 2020)

Konkret werden zu den einzelnen der sechs Merkmale zahlreiche Fragen gestellt, die am besten in Workshops diskutiert werden sollten. Beispielhaft sind die Fragen zum Merkmal Stärken aufgeführt (die anderen Fragensets finden sich in Herget 2020):

Unsere Stärken (Was sollten wir ausbauen, halten?)

  • Warum kaufen unsere Kunden bei uns ein? 
  • Was schätzen unsere Stammkunden an uns?
  • Was macht uns für Neukunden attraktiv?
  • Was macht unsere Produkte und unser Angebot aus?
  • Was macht unser Geschäftsmodell so robust?
  • Wo haben wir Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz?
  • Warum arbeiten unsere Mitarbeiter gerne bei uns?
  • Warum sind wir für Bewerber attraktiv?
  • Was funktioniert bei uns im internen Bereich besonders gut?
  • Welche Rituale bewähren sich?
  • Welcher Mindset stärkt uns?
  • Wie wird der Beitrag von Mitarbeitern und Teams gewürdigt?

Dieses Modell sollte noch nach der eingenommenen Betrachtungsperspektive im oben beschriebenen Sinne operationalisiert werden: Welche Faktoren sind im Innenbereich des Unternehmens wirksam und erfolgsbegründend, welche wirken im Außenbereich und sichern die Adaptionsfähigkeit an die sich wandelnde Unternehmensumwelt. Schließlich empfiehlt sich noch eine zusätzliche dritte Perspektive: die des Individuums. Was führt die einzelnen Mitarbeiter zur Höchstleistung, welche Bedingungen sollten gegeben sein, damit eine High Performance nicht nur im Team, sondern eben durch die einzelnen Mitarbeiter angestrebt und realisiert werden kann.

Dieses Modell integriert die historische, aktuelle und zukünftige Perspektive und begleitet den Prozess zur Identifikation relevanter Kulturfaktoren, in dem Fragen gestellt und beantwortet werden wollen.
Natürlich ergibt sich daraus eine Fülle von Kulturfaktoren, die in einem Filterprozess selektiert, priorisiert und verdichtet werden sollten. Ein Unternehmen kann zeitgleich etwa 6-10 unterschiedliche Kulturfaktoren aktiv verfolgen und entwickeln.

Ein mögliches unternehmensindividuelles Kulturmodell kann etwa wie das folgende dargestellt werden, das auch die externe, interne und persönliche Perspektive verdeutlicht.

Beispielhaftes individuelles Unternehmenskultur-Modell (Quelle: Herget 2020)

Das Format zur Beantwortung der im Modell gestellten Fragen muss unternehmensindividuell beantwortet werden. Häufig reichen Workshops mit unterschiedlichen Mitarbeitern, die verschiedenen Abteilungen, Hierarchien und Standorten angehören aus.

Ein Unternehmen verfügt zumeist über mehrere parallele und durchaus unterschiedliche Unternehmenskulturen (nach Standort, Abteilung, Berufsgruppe, …). Als Merksatz kann gelten: Je größer das Unternehmen, je ausdifferenzierter, je mehr Standorte, umso mehr unterschiedliche Unternehmenskulturen werden parallel auftreten. Entscheidend dabei ist, dass eine vorherrschende Leitkultur gegeben ist und sich die verschiedenen Subkulturen nicht aktiv widersprechen oder in Konkurrenz zueinander stehen.

Unsere heutigen Reflexionsfragen lauten:

  1. Welche Kulturfaktoren waren in der Vergangenheit für den Erfolg Ihres Unternehmens wichtig. Welche internen,  externen und personalen Kulturfaktoren waren es?
  2. Betrachten Sie nun ihre aktuellen Schwächen und Risiken, was bräuchten Sie (intern und extern, persönlich), um diese in Stärken und Chancen zu verwandeln?
  3. Betrachten Sie Ihre aktuellen Stärken und Chancen des Marktes. Welche Kulturfaktoren liegen diesen zugrunde?
  4. Welche Faktoren (intern und extern) werden es in Zukunft sein (die nächsten 3-5 Jahre), damit Sie weiterhin erfolgreich am Markt operieren können?

Sie haben konkrete Fragen zur Unternehmenskultur? Sie möchten Ihre Erfahrungen mit Kulturgestaltungsmaßnahmen teilen? Sie haben etwas beizutragen und würden sich gerne von uns interviewen lassen? Willkommen! Sprechen Sie mich an, meine Kontaktdaten finden Sie im Autorenprofil. Ich freue mich auf Sie! Sie erreichen mich unter josef.herget@excellence-institute.at

Dieser Beitrag ist der zweite Teil unserer 7-teiligen Reihe über Unternehmenskultur und wie wichtig diese für moderne Unternehmen ist.

Teil 1: Unternehmenskultur wirkt – immer.
Teil 2: Wie komme ich eigentlich zur „richtigen“ Unternehmenskultur?
Teil 3:Wie messe ich die vorherrschende Unternehmenskultur, wie bestimme ich die
Potentiale der zukünftigen Kulturfaktoren?
Teil 4:Wie bestimme ich geeignete Strategien und Maßnahmen zum Kulturwandel?
Teil 5:Wie führe ich Maßnahmen der Kulturveränderung zum Erfolg?
Teil 6:Zur Einordnung aller Strategien und Maßnahmen: Das
Unternehmenskultur-Architektur-Modell als Blaupause
Teil 7:Ressourcen, Audits und Tools zum Thema Unternehmenskultur

Prof. Dr. Josef Herget verbindet langjährige Erfahrung in der Wissenschaft mit internationaler Beratungstätigkeit. Er hat an verschiedenen Universitäten in Europa gelehrt und geforscht, Unternehmen gegründet und geleitet sowie zahlreiche Beratungsagenden in Wirtschaft und Politik wahrgenommen. Im Laufe seiner Karriere hat er mehr als 300 Publikationen verfasst und Vorträge in  über 30 Ländern gehalten.

Literaturtipps:

Herget, J.: Unternehmenskultur gestalten. Systematisch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg. Springer Gabler 2020

Herget, J.: Shaping Corporate Culture: For Sustainable Business Success. Springer 2023

Herget, J./Strobl, H. (Hg.): Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices, Springer Gabler 2018

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