Selbstbedienungskassen: Ein Flop?

Walmart, Target, Costco und der Diskonter Dollar General rollen einen Teil der Selbstbedienungskassen zurück, schreibt das Magazin Marketplace in einer Zusammenfassung eines hörenswerten Podcasts. Die ernüchternde Bilanz: menschlich besetzte Kassen mussten durch Support-Staff ersetzt werden, Fehleranfälligkeit der Systeme auch Jahre nach dem Rollout, längere Wartezeiten, Verfünffachung von Schwund und frustrierte Kunden.

Statt Kassieren müssen Support-Mitarbeiter eingesetzt werden, um die – viele Jahre nach Einführung – immer noch häufig auftretenden Probleme und Fehler zu lösen. Kaum eine Kasse funktioniert ohne Schwierigkeiten, häufige Bedienfehler treten auf, längere Warteschlangen an den Kassen entstehen und Kunden werden frustriert. Gleichzeitig zeigte sich, dass bis zu fünfmal höherer Schwund (oder Diebstahl) entsteht. Genau das war nicht die beabsichtigte Wirkung der Automatisierung. Eigentlich hätte plangemäß alles schneller und günstiger werden sollen.

Roll-back von Selbstbedienungskassen

Bei der Präsentation des letzten Quartalsberichts teilte der CEO des Discount-Einzelhändlers Dollar General, Todd Vasos, den Investoren mit, dass das Unternehmen zu stark auf Selbstbedienungskassen gesetzt hatte und diese nun als sekundäres Kassensystem zurückfahren und wieder primär auf menschlich besetzte Kassen gesetzt werde. In seinen Filialen hatte das Unternehmen in den letzten Jahren mit Selbstbedienungskassen die Personalkosten stark gesenkt. Nun plant Dollar General, bis zum Jahresende zusätzliche 50 Millionen US-Dollar für die Mitarbeiterausstattung seiner Filialen auszugeben. Dies ist die aktuellste Entwicklung in einer wachsenden Liste von Supermarktketten in den USA, darunter Walmart, Target und Costco, die sich von der Selbstbedienungsoption größtenteils zurückziehen.

Die Grenzen der Automatisierung sind bei TCO (total cost of ownership)

Einige Kunden bevorzugen jedoch die Selbstbedienungskassen, daher wird diese Option wahrscheinlich bestehen bleiben. Und bei wenigen Standard-Artikeln liegt darin auch ein Zeit- und Effizienzgewinn für Kunden, Händler und Belegschaft.

Bevor man aber Mitarbeiter durch Selbstbedienungskioske oder Chatbots ersetzt, gibt es eine wichtige Frage zu beantworten, sagt Management Professorin Rita McGrath: “Generiere ich dadurch mit viel Aufwand mehr Frustration? Und wie sieht das Gesamtbild aus? Auch Automatisierung hat ihre Grenzen.”

Nicht nur Vorteile, auch Bugs skalieren

Es sieht so aus, als wäre ohne ausreichende Tests umfassend ausgerollt worden – in der Hoffnung, dass die Bugs und Bedienfehler zurückgehen werden. Nach über einem Jahrzehnt zeigt sich: Auch Bugs können skalieren. Es gibt keine nennenswerte Einsparung bei den Personalkosten (statt Kassieren braucht man Support-Staff), längere Wartezeiten entstehen, der Schwund hat sich bis zu verfünffacht und am Ende bleiben frustrierte Kunden und Belegschaft.

Zuviel Automatisierung generiert einen “Tech-Lash”

Craig Le Clair at Forrester spricht von einem Tech-Lash nach der Pandemie. “Nicht alles hat sich bewährt. Nicht das gesamte Einkaufserlebnis kann und sollte automatisiert werden.”

Zeynep Ton, Professoring an der MIT Sloan School of Management, empfiehlt, folgende Fragen zu stellen: “Wird eine Automatisierungsmaßnahme den Mehrwert für die Kunden verbessern? Würde es die Produktivität der Belegschaft steigern, damit sie Kunden besser bedienen können? Wird die Maßnahme gesamthaft die Einnahmen und Kostenstruktur verbessern oder beeinträchtigen?” Eine wichtige, längerfristige Rechnung in Digitalisierungs- und Automatisierungsstrategien bleibt TCO (total cost of ownership). Kurzfristige Amortisationsrechnungen, die Investition und Rollout-Kosten mit eingesparten Personalkosten gegenrechnen, greifen oft zu kurz, weil Folgekosten des gesamten Geschäfts und Folgewirkungen unberücksichtigt bleiben.

Messen wir die richtigen Dinge?

Umfangreiche Tests bleiben wichtig, und die Frage, ob wir die richtigen Dinge messen. In seinem kürzlich geführten, ausführlichen Interview mit Lex Fridman erzählte Amazon Gründer Jeff Bezos unter anderem von einer Messgröße zur durchschnittlichen Wartezeit unter 60 Sekunden in der Customer Service Hotline. Gleichzeitig kamen viele Beschwerden über zu lange Wartezeiten herein. “Hier stimmte etwas nicht. Also rief ich während des Meetings bei unserer 0800 Nummer an und wartete über 10 Minuten. Der Punkt war klar gemacht. Wir haben nicht die richtigen Daten erhoben, nicht die richtigen Dinge gemessen. Auch wenn es unangenehm ist: Wir müssen Daten hinterfragen.”

Illustration: AI Midjourney, Prompt: photo realistic intricate detail supermarket self-checkout counter with a person in front of the till scanning an item

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