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Unternehmensberater Hans-Peter Machwürth im Interview

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Hans-Peter Machwürth, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy). © MTI Consultancy

Für viele erfahrene Führungskräfte ist das Führen von Mitarbeitern auf Distanz noch recht neu. Deshalb bestehen bei ihnen oft noch Verhaltensunsicherheiten, die auch ihre Mitarbeiter spüren. Hieraus resultiert laut Hans-Peter Machwürth vom Machwürth Team International (MTI) ein erhöhter Coaching-Bedarf.

Herr Machwürth, hat sich durch Corona das Business Ihres Unternehmens stark verändert?

Hans-Peter Machwürth: Ja, unser Geschäft ist heute viel digitaler als noch vor zwei Jahren.

Wie vermutlich bei fast allen Trainings- und Beratungsunternehmen?

Ja. Darüber hinaus haben sich aber auch die Inhalte unserer Personalentwicklungsmaßnahmen sowie deren Zielgruppen zum Teil spürbar verändert. Nehmen Sie den Bereich Führungskräfteentwicklung. In ihm registrieren wir eine deutlich höhere Nachfrage nach Förder- und Entwicklungsmaßnahmen – insbesondere im Coaching-Bereich –seitens erfahrener Führungskräfte, die schon 5, 10 oder gar 20 Jahre Führungserfahrung haben.

Wie erklären Sie sich das?

Nun, aufgrund der Tatsache, dass corona-bedingt mehr Mitarbeiter im Home-Office arbeiteten, standen in den zurückliegenden Jahren plötzlich viele Führungskräfte erstmals vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter und Teams virtuell bzw. auf Distanz zu führen und mit ihnen weitgehend online zu kommunizieren. Inzwischen ist dies zwar ein integraler Bestandteil der Alltagsarbeit der meisten Führungskräfte geworden; das heißt, sie haben eine gewisse Routine hierin entwickelt und sich sozusagen in dem neuen Normal eingerichtet. Dessen ungeachtet, bestehen bei ihnen aber noch viele Unsicherheiten beim Virtuellen Führen und Online-Kommunizieren.

Warum?

Vor allem, weil sie im Arbeitsalltag immer wieder spüren: Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen muss ich mein Führungsverhalten teils neu justieren, wenn ich weiterhin die gewünschte Wirkung entfalten möchte. Außerdem brauche ich zum Teil neue Kompetenzen. Das drückt sich unter anderem in einer erhöhten Nachfrage nach unseren Coachings durch erfahrene Führungskräfte aus.

Mit welchen konkreten Fragen konfrontieren die Führungskräfte Sie bzw. Ihre Mitarbeiter in den Coachings?

Häufig ganz operativen Fragen wie:

  • Wie locke ich bei Online-Meetings eher introvertierte Mitarbeiter aus der Reserve?
  • Wie spreche ich beim Online-Kommunizieren heikle Themen an?
  • Wie sorge ich beim virtuellen Führen dafür, dass die emotionale Beziehung zu den Mitarbeitern nicht abreißt?
  • Worauf sollte ich besonders achten, wenn ich online Feedbackgespräche führe?

Fragen also, die Ihnen eine Führungskraft mit 10 oder 20 Jahren Führungserfahrung vermutlich nie stellen würde, wenn sich die Rahmenbedingungen von Führung nicht verändert hätten?

Zumindest seltener. Aufgrund der veränderten Ist-Situation fragen sich jedoch auch viele erfahrene Führungskräfte: Nehme ich meine Funktion in der Organisation noch angemessen wahr? Führe ich zum Beispiel real noch mein Team oder organisiere ich faktisch nur seine Arbeit?

Vielen Führungskräften fehlt also zurzeit die Verhaltenssicherheit, die ihre Arbeit in der Vor-Corona-Zeit auszeichnete. Und das spüren vermutlich auch ihre MitarbeiterInnen. Wie lässt sich diese Situation überwinden?

Zunächst ist ja durchaus positiv, dass die Führungskräfte selbst spüren: Ich sollte aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen mein Führungsverhalten überdenken. Das zeigt, dass sie diesbezüglich schon eine hohe Sensibilität entwickelt haben. Zudem spricht ja nichts dagegen, dass Führungskräfte in der aktuellen Umbruchphase bzw. Übergangsphase in ein neues Normal im Dialog mit ihren MitarbeiterInnen gewisse Verhaltensunsicherheiten im Bereich Virtuelle Führung und Online-Kommunikation eingestehen. Schließlich sind auch sie nur Menschen, und dies können, nein sollten ihre MitarbeiterInnen im Kontakt mit ihnen auch spüren. Letztlich geht es aber darum, dass die Führungskräfte neue Routinen entwickeln, wie sie in dem veränderten Umfeld ihren Bereich professionell führen sowie ihre MitarbeiterInnen motivieren und inspirieren.

Die Führungskräfte müssen also ihre alten Routinen zum Teil aufgeben bzw. verlernen und neue erlernen und verinnerlichen, damit bei ihnen wieder die gewohnte Verhaltenssicherheit entsteht?

Richtig, wobei das Verlernen bzw. das Nicht-zurück-verfallen in die alten Routinen gerade in Stresssituationen oft schwieriger ist als das Entwickeln neuer Routinen.

Und wie schaut es bezogen auf die jungen Führungskräfte aus?

In unseren Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen unterscheiden wir als international agierendes Trainings- und Beratungsunternehmen generell die vier Dimensionen „Leading yourself“, „Leading your business“, „Leading your people“ und „Leading your team“.

Junge Führungskräfte bzw. Führungsnachwuchskräfte haben in der Regel bezogen auf alle vier Dimensionen einen Entwicklungsbedarf. Zudem ist bei ihnen, da sie zum Beispiel als Führungskräfte im Bereich Selbst-, Personal- und Teamführung noch kaum auf Erfahrung basierte Routinen entwickelt bzw. internalisiert haben, eine gewisse Verhaltensunsicherheit ganz normal.

Weshalb sie durch entsprechende Trainee-, Coaching- und Mentoring-Programme ja oft gezielt gefördert werden.

Deshalb hat sich bei ihnen, sieht man von einigen inhaltlichen Akzentverschiebungen ab, corona-bedingt hinsichtlich ihres Förderbedarfs nicht viel verändert – zumal die Angehörigen der Generationen X, Y und Z in der Regel, verallgemeinert formuliert, ohnehin eine hohe Affinität zur Online-Kommunikation sowie netzgestützten Zusammenarbeit haben.

Sie müssen also, da sie im Bereich Führung noch keine Routinen entwickelt haben, auch keine aufgeben. Also bleibt sozusagen alles beim Alten?

Vereinfacht formuliert ja. Anders sieht es bei ihren führungserfahrenen Kollegen aus. Bei ihnen fokussierte sich in der Vor-Corona-Zeit der Trainings- bzw. Coachingbedarf weitgehend auf die beiden Dimensionen „Leading your business“ und „Leading your team“ aufgrund der jeweils gerade aktuellen Herausforderungen, vor denen ihr Unternehmen oder Bereich gerade stand. In den Bereichen Selbstführung und Personalführung waren sie jedoch erfahrene Profis oder „alte Hasen“. Durch Corona hat sich dies partiell verändert. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen entstand bei ihnen auch in den Bereichen „Leading yourself“ und „Leading your people“ ein neuer Change- bzw. Unterstützungsbedarf. Das spüren wir unter anderem bei unseren Coachings.

Wie leicht lässt sich der signalisierte Change- bzw. Unterstützungsbedarf befriedigen?

Eigentlich recht einfach, weil eine Führungskraft, die sich zum Beispiel mit einem entsprechenden Coachinganliegen an uns wendet, ja hierdurch bereits signalisiert: Ich bin zum Lernen bzw. zu einer Verhaltensänderung bereit. Hinzu kommt: Erfahrene Führungskraft sind es in der Regel gewohnt, neue Herausforderungen zu durchdenken, um hierauf angemessen zu reagieren. Deshalb kann ein erfahrener Coach sie durch ein entsprechendes Nach- und Weiterfragen recht schnell zur gewünschten oder erforderlichen Lösung führen. Gibt er ihnen dann noch einige konkrete How-to-do-Tipps, was es zum Beispiel beim Virtuellen Führen aufgrund der Online-Kommunikation besonders zu beachten gilt, gelingt es den Führungskräften meist recht schnell, ihr Verhalten neu zu justieren.

Die eigentliche Herausforderung ist es, das Beschlossene im Arbeitsalltag entgegen der bisherigen Gewohnheit konsequent umsetzen, und zwar auch dann, wenn man selbst unter Anspannung steht. Das weiß ich als Geschäftsführer eines Unternehmens aus eigener Erfahrung.

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