Recruiting unter Druck: Fachkräftemangel und hohe Erwartungen

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Personalabteilungen stehen unter hohem Druck: Fachkräftemangel, steigende Anforderungen und hohe Erwartungen von Bewerbern belasten die Teams. Gleichzeitig sind Wertschätzung und Ressourcen oft begrenzt. Um erfolgreich Talente zu gewinnen, setzen Unternehmen zunehmend auf digitale Tools, flexible Arbeitsmodelle und gezielte Weiterbildungen im Recruiting.

Wachsender Druck, steigende Anforderungen und wenig Wertschätzung – der Stress in Österreichs HR-Abteilungen ist auf einem hohen Niveau. Mehr als zwei Drittel der Personalverantwortlichen (70 Prozent) berichtet von hoher emotionaler Belastung. Fast ebenso viele (71 Prozent) erfahren nur geringe Wertschätzung durch ihren Arbeitgeber, obwohl parallel die Erwartungen höhergeschraubt werden. Auch der Fachkräftemangel macht Personalabteilungen zunehmend mehr zu schaffen. Das geht aus dem neuen XING Arbeitsmarktreport 2025 hervor, für den das Marktforschungsinstitut Appinio 150 Recruiter in Österreich im Rahmen einer Online-Umfrage befragt hat.

Die volatilen Entwicklungen am Arbeitsmarkt gehen an den Beschäftigten im Recruiting nicht spurlos vorbei. 95 Prozent geben an, dass der Fachkräftemangel es schwieriger macht, offene Stellen zeitnah zu besetzen („stimme eher zu“ /„stimme zu“ / „stimme voll und ganz zu“). Genauso viele gehen davon aus, dass sich dieser in absehbarer Zukunft weiter verstärken wird. Gleichzeitig sind die Anforderungen und Erwartungen seitens der Unternehmensführungen hoch – das sagen 95 Prozent der befragten Personaler. 92 Prozent geben an, dass der Druck auf sie heuer sogar noch größer geworden ist. Das wirkt sich auf die Stimmung aus: Mit 70 Prozent („stimme zu“ / „stimme voll und ganz zu”) empfinden über zwei Drittel eine hohe emotionale Belastung und Stress in ihrem Job. Besorgniserregend: Fast genauso viele (71 %) sagen, dass es in ihrem Unternehmen eine geringe Wertschätzung für ihre Arbeit gibt.  

„Knappe Budgets, aber gleiche Ziele; kaum verfügbare Fachkräfte, aber schnelle Besetzung offener Stellen – das sind die Herausforderungen, denen HR-Verantwortliche jeden Tag gegenüberstehen“, sagt Thomas Kindler, Managing Director von XING. „Wenn dann auch noch die Wertschätzung fehlt, kommen Menschen schnell an ihr Limit. Erfahrene HR-Verantwortliche sind für Unternehmen allerdings eine unschätzbare Ressource: Als Säule einer erfolgreichen Personalwirtschaft sind sie maßgeblich mitentscheidend für den Unternehmenserfolg.“ 

Talente werden anspruchsvoller – und sind genervt von langen Wartezeiten bei Bewerbungen 

Aber nicht nur der interne Druck macht Beschäftigten im Recruiting zu schaffen: Auch die Wünsche der Bewerber sind schwieriger zu erfüllen. 77 Prozent der befragten Personalverantwortlichen sagen („stimme zu“ / „stimme voll und ganz zu”), dass Bewerber zunehmend höhere Erwartungen an Jobbedingungen, Unternehmenskultur und Benefits wie flexible Arbeitszeitgestaltung, Gehalt, Sabbaticals, Workation oder ähnliches haben. Auch eine hohe Unverbindlichkeit der Kandidaten ist kein vereinzeltes Phänomen. 78 Prozent der Personalverantwortlichen haben schon erlebt, dass Bewerber schlecht erreichbar waren oder sich nicht zurückgemeldet haben, nach einer Zusage wieder absagen oder das Unternehmen komplett ghosten, indem sie sich nicht mehr melden. 79 Prozent sind der Meinung, dass gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine positive Candidate Experience durch den gesamten Recruitingprozess wichtiger denn je wäre. 

Von HR-Abteilungen wiederum erwarten die Kandidaten Schnelligkeit: 39 Prozent der Jobsuchenden in Österreich sagen, dass es maximal ein bis zwei Wochen dauern sollte, bis sich Personalabteilungen nach einer Bewerbung bei ihnen zurückmelden, 42 Prozent erwarten sogar eine Rückmeldung innerhalb einer Woche. Zwei bis drei Wochen finden nur noch 12 Prozent akzeptabel. Zwei Drittel (66 Prozent) wünschen sich, dass der gesamte Prozess – von Bewerbung bis zur Unterschrift – höchstens zwei bis vier Wochen dauert. Genervt sind Kandidaten daher entsprechend von fehlenden Rückmeldungen (44 Prozent), langen Wartezeiten (37 Prozent) sowie aufwändigen und langwierigen Bewerbungsprozessen (28 Prozent). Der dynamischen Lage am Arbeitsmarkt sind sich die Jobsuchenden trotz ihrer hohen Ansprüche aber bewusst: 53 Prozent schätzen ihre persönliche Chance, derzeit eine neue Stelle zu finden, als „eher“ bis „sehr“ schwierig ein. Diese Ergebnisse gehen ebenfalls aus dem XING Arbeitsmarktreport 2025 hervor, für den Appinio auch 1.000 Beschäftigte in Österreich befragte.  

„HR-Verantwortliche befinden sich in einem ständigen Spagat zwischen den Anforderungen der Unternehmensleitung und der Fachabteilungen auf der einen Seite und den zunehmend schwerer zu erfüllenden Erwartungen der so dringend benötigten Fachkräfte“, sagt Thomas Kindler. „Um hier erfolgreich agieren zu können, brauchen sie die richtigen Tools und Technologien. Unsere Zahlen zeigen, dass man die Time-to-hire mit Hilfe digitaler Plattformen und dem gezielten Aufbau von Talent-Pipelines um rund die Hälfte verkürzen kann.“ 

Optimistische Personalplanung für die nächsten 12 Monate 

Die Beschäftigung mit Digitalisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz ist tatsächlich auch die wichtigste Aufgabe, mit der sich Recruiter in den kommenden 12 Monaten verstärkt beschäftigen möchten (35 Prozent). Noch mehr Zeit wollen sie außerdem mit Stellenbesetzungen über Passive Sourcing (klassisch über Stellenanzeigen; 27 Prozent) sowie Active Sourcing (aktive Kandidatenansprache; 27 Prozent) verbringen. Überraschenderweise planen trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage 59 Prozent, bis Jahresende weiter Personal aufzubauen. 31 Prozent wiederum gehen von einem Abbau aus. 

Darüber hinaus steht die Modifizierung der Recruitingstrategien aufgrund des Fachkräftemangels auf der Agenda: 40 Prozent setzen auf Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und Angebote wie Remote Work oder flexible Arbeitszeitmodelle, um mehr Bewerber anzusprechen. 35 Prozent intensivieren Schulungen und Weiterbildungsangebote für das Recruiting-Team, um den aktuellen Herausforderungen besser gewachsen zu sein. 32 Prozent setzen auf die Implementierung von Empfehlungsprogrammen durch bestehende Mitarbeiter. „Der Blick geht klar nach vorn“, sagt Thomas Kindler. „Wer jetzt in neue Technologien, flexible Arbeitsmodelle und moderne Recruitingprozesse investiert, stellt die Weichen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum – trotz schwieriger Rahmenbedingungen.“ 

(pi)

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