Die fortschreitende Digitalisierung und ein tiefgreifender demografischer Wandel führen zu massiven Veränderungen in der Arbeitswelt. Das Festhalten an alten Strukturen und traditionellen Stellenbeschreibungen in Unternehmen verhindert aber häufig noch die notwendigen Anpassungen und führt zu Wettbewerbsnachteilen. Eine aktuelle Deloitte Studie belegt: Um in der Arbeitswelt der Zukunft bestehen zu können, müssen Unternehmen den Faktor Arbeit völlig neu denken – und sich auf lange Sicht von starren Job-Kategorien verabschieden.
Der anhaltende Fach- und Arbeitskräftemangel, die Etablierung künstlicher Intelligenz und neue Arbeitsformen: In der heutigen Arbeitswelt müssen Unternehmen flexibler werden und neue Wege gehen – zu diesem Ergebnis kommt das Beratungsunternehmen Deloitte. Im Rahmen der „Human Capital Trends 2023“ wurden über 10.000 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter unterschiedlicher Levels aus 139 Ländern, darunter rund 150 Personen aus Österreich, zu aktuellen Entwicklungen der Arbeitswelt befragt. Laut Studie stehen starre Job-Modelle notwendigen Anpassungen an die moderne Arbeitswelt im Weg. Unternehmen sollten auf dynamische Konzepte setzen, die individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen.
„Wir sind es gewohnt, Arbeit in klassischen Jobs zu denken. So schreiben wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu, was ihre Aufgaben im Unternehmen sind und welche Fähigkeiten sie dafür mitbringen sollten“, erklärt Julian Mauhart, Partner bei Deloitte Österreich. „In Zeiten, in denen vernetzte Kooperation, Innovation, Agilität und Arbeitgeberattraktivität von großer Bedeutung sind, funktioniert das aber nicht mehr so einfach. Die bisherigen Modelle können nicht mehr mithalten.“
Die Zahlen der aktuellen Umfrage verdeutlichen das: 71 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übernehmen mittlerweile auch Aufgaben außerhalb ihrer Stellenbeschreibung. Bei 63 % liegt sogar der Fokus ihrer Tätigkeit auf Projektarbeiten, die überhaupt nicht in ihrem Jobprofil enthalten sind. Dementsprechend sind auch nur mehr 19 % der befragten Führungskräfte und 23 % der Mitarbeitenden der Meinung, dass Arbeit am besten mittels konkreter Job-Kategorien strukturiert werden kann.
Fokus auf individuelle Fähigkeiten wird zum Erfolgskriterium
Viele Unternehmen haben erkannt, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Für die überwiegende Mehrheit (93 %) ist das bisher gängige Job-Modell nicht zukunftsfähig. Nur 20 % fühlen sich jedoch auf die notwendigen Veränderungen angemessen vorbereitet, da sämtliche HR-Prozesse – vom Recruiting über die Vergütung bis hin zur Personalentwicklung – nach wie vor auf alten Strukturen aufbauen.
„Die meisten Unternehmen stoßen bei den derzeitigen Rahmenbedingungen bereits an ihre Grenzen. Arbeit muss heute neu gedacht werden. Anstatt Aufgaben und Verantwortung starr festzulegen, sollten sich Unternehmen auf die erwünschten Ergebnisse fokussieren und herausfinden, wie sie diese mit den individuellen Skills ihrer Mitarbeitenden erreichen können. Dadurch können letztendlich auf allen Ebenen bessere Entscheidungen getroffen werden“, weiß Mauhart.
Unternehmen, die bereits auf eine skill-basierte Arbeitsorganisation setzen und grundlegende Fähigkeiten in den Fokus rücken, nehmen laut Deloitte Studie nicht nur eine gesteigerte wirtschaftliche Performance und ein erhöhtes Innovationspotenzial wahr, sondern konnten auch die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern. Vor allem angesichts knapper Arbeitsmärkte ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Alternative Beschäftigung als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel
Eine hilfreiche Maßnahme gegen den Fachkräftemangel ist auch, Arbeit über die eigenen Unternehmensgrenzen hinauszudenken. „Die Pandemie und die sich ändernden Arbeitsanforderungen haben Freelancing oder Gig-Work gerade für jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiver gemacht. Unternehmen können mit diesen flexiblen Arbeitsformen dem Talentemangel entgegenwirken und auf schwankende Marktentwicklungen reagieren“, betont Julian Mauhart. „Damit dieses Modell funktioniert, braucht es allerdings klare und faire Spielregeln. Nur dann können beide Seiten profitieren.“
Bei den Rahmenbedingungen für externe Mitarbeitende gibt es jedoch noch Luft nach oben. So sind sich zwar 84 % der Befragten der Bedeutsamkeit einer gleichwertigen Führung von interner wie auch externer Belegschaft bewusst, aber nur bei 16 % wird das auch gelebt. „Externe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden oft nicht in Personalplanungsprozessen berücksichtigt und sind damit von Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Gleichzeitig ist diese Gruppe für Unternehmen aber häufig die einzige Chance zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels. Hier muss rasch an Lösungen gearbeitet werden – denn alternative Beschäftigungsmodelle sind nach unserer Beobachtung gekommen, um zu bleiben“, so Julian Mauhart abschließend.