Künstliche Intelligenz und Chatbots dürfen in keiner Unternehmensstrategie mehr fehlen. Doch können diese Systeme die Erwartungen, die man an sie stellt, auch wirklich erfüllen? Das Wiener KI-Unternehmen Deepsearch beschäftigt sich seit 2010 mit der Automatisierung kognitiver Aufgaben und bietet Lösungen für eine sinnvolle Unterstützung von Callcenter-Agents und Helpdesk-Mitarbeitern mittels künstlicher Intelligenz. Dieser Tage ist ein großer internationaler Investor bei Deepsearch eingestiegen. Wir haben Geschäftsführer Roland Fleischhacker zum Interview getroffen.
Unternehmen setzen in der Kundenkommunikation oder ihren Online-Shops verstärkt auf Systeme oder Chatbots, die auf künstlicher Intelligenz basieren. In vielen Fällen hat man als Nutzer aufgrund der erhaltenen Antworten aber eher den Eindruck, dass es gerade an dieser – nämlich der Intelligenz – mangelt. Das liegt meist daran, dass das System die Frage nicht richtig versteht. Das Wiener Unternehmen Deepsearch hat mit „Deepassist“ eine Lösung entwickelt, die genau hier ansetzt und Texte auf semantische Weise analysiert. Aus welchem Kommunikationskanal die Texte kommen, ist dabei egal. Deepassist nutzt Natural Language Understanding (NLU) und kann damit eigenständig Verknüpfungen erstellen und Antworten auch auf komplexe Fragen geben.
Herr Fleischhacker, was macht Ihre Lösung Deepassist intelligent?
Allan Turing hat einmal gesagt, wenn man in einem Gespräch nicht mehr unterscheiden kann, ob man mit einem Menschen oder mit einer Maschine spricht, dann ist es Intelligenz. Wenn eine Maschine aber etwas schnell kann, dann ist es rechnen. Denken kann man dazu nicht unbedingt sagen, obwohl denkähnliche Prozesse vollzogen werden. Wir haben für unser System in langer Arbeit einen Wissensgraphen geschaffen, der – natürlich in einem eingeschränkten Maß – die Konzepte dieser Welt und wie sie zusammenhängen zeigt. Und diesen Wissensgraphen benutzen wir, um in Millisekunden bestimmte Texte zu interpretieren. Unser System Deepassist ist dabei rund zehn Mal so schnell wie das menschliche Gehirn.
Wie kann man sich das vorstellen?
Der Wissensgraph besteht aus drei virtuellen Layern. Der unterste Layer – also sozusagen der Hausverstand, der rund 94 Prozent des gesamten Wissensgraphen ausmacht – sind diejenigen Konzepte, die wir im Alltag verwenden, wobei der Mensch an die 10.000 Konzepte verwendet. Unser System verwendet hingegen knapp 200.000 Konzepte. Der nächste Layer bildet die sogenannte Domainsprache ab, also branchenspezifische Konzepte, die unter anderem Fachbegriffe und Abkürzungen beinhalten, die in der jeweiligen Branche verwendet werden. Der oberste und kleinste Layer ist die Sprache des Unternehmens. Das sind etwa Produktnamen, interne Abkürzungen oder Abteilungsnamen. Wir haben damit ein neues Produktumfeld kreiert, das wir Enterprise NLU (Natural Language Understanding) nennen.
Auch Techriesen wie Microsoft, IBM oder Google arbeiten mit NLU.
NLU-Produkte gibt es mehrere auf dem Markt, aber die sind von dem mittlerweile wieder abgeflauten Chatbot-Hype getrieben und sind taktische Tools für Chatbots. Man kann diesen Chatbots aber keine E-Mails oder einen Livestream schicken, die sie verstehen sollen. Chatbots sind dazu trainiert, maximal 200 Zeichen zu interpretieren. Bei unserem System Deepassist ist es völlig egal, woher die Daten kommen. Es ist ein zentrales Service, an das man einen Text schicken kann und das versteht, worum es in dem Text geht und es kann daraus relevante Informationen extrahieren wie etwa eine Kundennummer. Wir schaffen also die Grundvoraussetzung, um die Informationen zu vereinheitlichen.
90 bis 95 Prozent der Chatbots, die heute im Einsatz sind, werden weder von Auftraggebern noch von Auftragnehmern als wirklich gut eingestuft.
Roland Fleischhacker, CEO Deepsearch.
Wer sind Ihre Kunden?
Unsere Kunden sind Unternehmen, die intern oder extern sehr viel kommunizieren wie zum Beispiel Energieversorger, Banken oder Versicherungen. Vor allem bei Kundenservices und im Callcenter braucht es unterstützende Technologien, die schnell erkennen, worum es geht. Es kann sein, dass der Anrufer schon gereizt ist, weil er das Unternehmen schon öfters kontaktiert hat. Ein Beispiel ist Europas größter kommunaler Wohnungsanbieter, Wiener Wohnen, in dessen Gemeindebauten rund 600.000 Menschen wohnen. Da kann es beispielsweise um einen akuten Schaden in der Wohnung gehen, der repariert werden muss. Der Callcenter-Mitarbeiter nimmt diese Meldung während des Anrufs schriftlich auf und bekommt fast in Echtzeit Lösungsvorschläge, die er dem Anrufer mitteilen kann. Für diesen Wissensgraphen haben wir auch Wörter aus dem Wiener Dialektwörterbuch übernommen. Wie vorher schon erwähnt, bieten wir Branchenlösungen an, in denen das Vokabular für die jeweilige Branche abgedeckt ist.
Viele Unternehmen setzen Chatbots ein oder wollen sie einsetzen. Können die digitalen Helfer die an sie gestellten Erwartungen erfüllen?
90 bis 95 Prozent der Chatbots, die heute im Einsatz sind, werden weder von Auftraggebern noch von Auftragnehmern als wirklich gut eingestuft. Es ist für die Unternehmen sehr frustrierend, weil man nicht das bekommt, was man sich erwartet hat, denn selbst einfachste Fragen können oft nicht befriedigend beantwortet werden. Die meisten Chatbots werden so programmiert, dass sich jemand hinsetzt und nachdenkt, wie ein Kunde funktioniert. Aber nicht jeder Kunde funktioniert so, wie sich das ein Marketingmanager ausgedacht hat. Die Grundvoraussetzung ist ja, dass man richtig versteht, worum es geht. Die meisten Chatbots verwenden aber NLUs, die nicht besonders leitungsfähig sind. Deshalb scheitern auch viele Anbieter von Chatbot-Lösungen, weil sie das Problem nicht lösen können, wie sie zu einem guten Verständnis der Eingabe kommen.
Werden Chatbots eines Tages Menschen ersetzen können?
Davon sind wir noch weit entfernt. Ein Chatbot kann einem Service-Mitarbeiter aber vielleicht bis zu 50 Prozent der 0815-Themen abnehmen oder ihn dabei unterstützen. Das heißt, der Mitarbeiter hat dann für die wichtigen Themen mehr Zeit und das kann die Kosten reduzieren. Chatbots halten aber noch nicht das, was versprochen wurde.
Deepassist: Deepassist wird bei großen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen eingesetzt und soll sie dabei unterstützen, das Potenzial von NLU zu nützen, um Informationen in unstrukturierten Dokumenten und Nachrichten automatisiert verarbeiten zu können. Kunden sind im deutschsprachigen Raum zum Beispiel Wiener Wohnen oder die Deutsche Bahn. Das Marktforschungsunternehmen Gartner hat Deepassist heuer unter die fünf weltweit besten Technologien im Bereich Natural Language Technologies eingestuft. Entwickelt wurde Deepassist von der Deepsearch GmbH in Wien, an der sich dieser Tage auch der international agierende Investor AVV Investment GmbH mit einem hohen siebenstelligen Betrag beteiligt hat.