Die Österreichische Beamtenversicherung (ÖBV) ist in der österreichischen Versicherungsbranche in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Sowohl die Gesellschaftsform als auch der spezielle Fokus auf Unfallversicherung und betriebliche Vorsorgelösungen machen sie zu einem interessanten Player auf dem heimischen Markt.
Seit 1895 ist die Österreichische Beamtenversicherung in Österreich aktiv. Wir sprachen mit Stefan Mikula, dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der ÖBV, und Karl Koczurek, Landesdirektor Wien, über die Besonderheiten und Chancen einer seit 128 Jahren am Markt existierenden Versicherung.
xBN.news: Die Österreichische Beamtenversicherung gibt es nun seit 128 Jahren, das ist eine lange Zeit. Wofür steht die ÖBV heute?
Stefan Mikula: Die ÖBV steht dafür, ein bodenständiges, eigenständiges und unabhängiges, erfolgreiches Unternehmen zu sein und das seit mittlerweile 128 Jahren – als mittelgroßes Unternehmen, das am österreichischen Versicherungsmarkt sehr gut etabliert ist. In unserer Kernzielgruppe, dem öffentlichen Sektor, haben wir eine hohe Durchdringung.
xBN.news: Name und Marke ÖBV sind möglicherweise für Menschen, die das Versicherungsinstitut nicht gut kennen, ein wenig irreführend?
Starke Marke: Österreichische Beamtenversicherung
Stefan Mikula: Der Name ist historisch gewachsen beziehungsweise seit der Gründung vor mehr als 100 Jahren gleichgeblieben. Nichtsdestotrotz ist der Name solch eine starke Marke, dass wir ihn beibehalten haben und ihn auch in Zukunft behalten werden.
Karl Koczurek: Aber auch wenn wir seit Beginn vor allem Bedienstete im öffentlichen Sektor versichert haben, sind unsere Versicherungs- und Vorsorgelösungen für alle verfügbar.
xBN.news: Die ÖBV hat auch eine besondere Gesellschaftsform, die vielen, insbesondere jüngeren Personen, ebenfalls wenig geläufig sein dürfte – könnten Sie diese erläutern?
Stefan Mikula: Die ÖBV ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit – kurz VVaG. In der Tat sind die meisten Versicherungen Aktiengesellschaften. Wir haben nicht nur den Namen ganz bewusst erhalten, sondern auch diese, unsere Unternehmensform. Der große Unterschied ist, dass wir keine Versicherten haben. Unsere Kundinnen und Kunden sind unsere Mitglieder – und damit sind sie gleichzeitig auch Mitbesitzer des Unternehmens. Als Konsequenz daraus gibt es bei uns auch keine Versicherungspolizzen, sondern Mitgliedsscheine. Und der Aufsichtsrat wird aus der Versichertengemeinschaft heraus entsprechend besetzt. Des Weiteren gibt es eine Mitgliedervertreterversammlung statt der bei Aktiengesellschaften üblichen Hauptversammlung.
Karl Koczurek: Ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist auf keinen Fall etwas Antiquiertes. Aus unserer Sicht ist es sogar die ureigenste Form einer Versicherungsgesellschaft, weil sie dem solidarischen Prinzip am besten Genüge tut. Deshalb sind wir auf diese Unternehmensform sehr stolz.
xBN.news: Wie kommt diese spezielle Gesellschaftsform in ihrer Wahrnehmung bei der Versichertengemeinschaft an?
Mitglieder statt Versicherungsnehmer
Stefan Mikula: Unsere Mitglieder schätzen diese Form, denn vor allem während der vergangenen Jahre, die von der Corona Pandemie geprägt waren, hat sich der Wert des unmittelbaren, direkten Kontakts im Gegensatz zu beispielsweise unpersönlichen Call Center Telefonaten gezeigt. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns vor modernen Entwicklungen verschließen, wir agieren zukunftsgerichtet.
xBN.news: Welche Schwerpunkte hat die ÖBV traditionellerweise und wo geht es hin?
Stefan Mikula: Grundsätzlich liegt unser Schwerpunkt auf der Personenversicherung, auf der Lebens- und Unfallversicherung. Mit Blick auf die Zukunft ist dies jedoch sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Karl Koczurek: Ein besonderer Produktbereich, auf den sich die ÖBV spezialisiert hat, ist die Betriebliche Altersvorsorge, die Zukunftssicherung nach § 3/1/15a EStG. Unternehmen können damit für jede Mitarbeiterin, jeden Mitarbeiter pro Jahr bis zu 300 Euro steuerfrei in eine Lebens-, Unfall- oder Krankenversicherung investieren. Im Gegensatz zu einer Gehaltserhöhung fallen hier keine Sozialabgaben an. Die Zukunftssicherung ist eines der Hauptstandbeine, wenn es um die Altersvorsorge im gesetzlich geförderten Bereich geht. Daneben gibt es noch die direkte Leistungszusage, wo wir ebenfalls sehr stark sind.
xBN.news: Wie sieht es denn in Österreich mit der Durchdringung mit diesen Vorsorgemöglichkeiten aus?
Stefan Mikula: Bei der Zukunftssicherung gibt es durchaus viele Mitbewerber. In diesem Einzelsegment der Lebensversicherung hat die ÖBV jedoch mit 20 Prozent, mit rund 120.000 Mitgliedsscheinen, den höchsten Marktanteil. Der Wermutstropfen bei dieser Vorsorgeform ist, dass es seit 1978 zu keiner Anpassung bei der Betragshöhe seitens des Gesetzgebers gekommen ist.
xBN.news: Welcher Betrag erscheint Ihnen angemessen?
Stefan Mikula: Derzeit stehen wir bei 25 Euro pro Monat und Mitarbeitenden. In unserer Meinung, die sich mit jener des Versicherungsverbandes deckt, wären 100 Euro pro Monat angemessen. Denn dieser Betrag entspräche ungefähr der Realinflation, die wir seit 1978 registriert haben.
Karl Koczurek: Und die Forderung, den Betrag anzuheben, wird schon seit mehr als einem Jahrzehnt erhoben. Es wäre zum Vorteil aller Beteiligten.
Zukunftssicherung: Noch viel Potenzial
xBN.news: Auch wenn der Gesetzgeber von einer Anhebung derzeit noch davon absieht … wie sieht es mit dem Potenzial bei der Zukunftssicherung aus?
Stefan Mikula: Im Prinzip ist hier das Potenzial unerschöpflich. Denn es gelangen immer wieder Menschen neu in den Arbeitsprozess. Alleine der öffentliche Sektor benötigt in den nächsten Jahren zehntausende neue Mitarbeiter. Hier sind wir ein starker Vertriebspartner für diese Kernklientel. Diese Form der Vorsorge ist für diese großen Spieler sehr interessant, aber genauso gut auch für jedes heimische KMU. Unternehmen müssen bedenken, dass gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heutzutage sehr umkämpft sind. Denen muss man mehr bieten, als frisches Obst in der Kantine oder Home-Office. Die Zukunftssicherung ist eine Sozialleistung, die jedes Unternehmen unkompliziert den Mitarbeitenden zugutekommen lassen kann. Die Zukunftssicherung gehört daher zu einem guten Paket dazu, nicht nur um gute Leute zu rekrutieren, sondern auch um die Belegschaft zu halten.
xBN.news: Ein weiteres Produkt der Betrieblichen Altersvorsorge ist die direkte Leistungszusage. Ich vermute jedoch, dass dieses Produkt, weniger Absatz findet und um einiges erklärungsbedürftiger ist, als die Zukunftssicherung …
Stefan Mikula: Ja, es ist ein Produkt, das für Leitungsorgane eines Unternehmens gedacht ist. Und es ist vom rechtlichen Standpunkt her viel komplexer. Allein schon die Unterscheidung in beitragsorientierte und leistungsorientierte Zusage – wobei die beitragsorientierte Leistungszusage heute, nicht zuletzt wegen des lange Zeit vorherrschenden Niedrigzinsumfelds, der Regelfall ist …
“Direkte Leistungszusage: Vorteile für alle”
xBN.news: Worin besteht der große Vorteil der beitragsorientierten Leistungszusage?
Stefan Mikula: Erstens tut das Unternehmen seinen Führungskräften damit etwas Gutes. Zweitens kostet der Aufwand das Unternehmen in der Ansparphase brutto für netto. In der Pension hat der Geschäftsführer oder Abteilungsleiter den Vorteil, dass dieses zusätzliche Einkommen, das während seiner Dienstzeit generiert wurde, nicht annähernd mit dem Spitzensteuersatz belastet wird, sondern mit jenem Lohnsteuersatz, der gemessen am Gesamtpensionseinkommen der jeweiligen begünstigten Person herangezogen wird.
xBN.news: Welche Rolle spielt dieses Produkt im Gesamtportfolio der ÖBV?
Stefan Mikula: Vom Volumen her ist dieses Produkt ausbaufähig, da es in der Bevölkerung noch nicht so bekannt ist, selbst in der Geschäftswelt noch nicht. Und es ist – wie gesagt – ein Spezialprodukt. Das bedeutet, es kann nicht so ohne weiteres nahegebracht und vermittelt werden, dafür braucht es viel Fachkenntnis. Aber es ist in unseren Augen ein sehr zukunftsträchtiges Segment, weil es allen Beteiligten enorme Vorteile bringt, steuerlich als auch abwicklungstechnisch.
Unterschätzt: Private Unfallversicherung
xBN.news: Aufholpotenzial besteht auch bei der privaten Unfallversicherung. Unterschätzen die Österreicherinnen und Österreicher die Gefahren?
Karl Koczurek: Die meisten glauben, dass die Unfälle, die passieren grundsätzlich alle über die AUVA, über die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt sind. 80 Prozent der Unfälle in Österreich geschehen jedoch im privaten Rahmen. Und auch bei einem Arbeitsunfall ist eine private Zusatzversicherung wünschenswert, um im Fall des Falles finanzielle Härten abfedern, den gewohnten Lebensstandard halten zu können.
Zudem kann es auch Kinder und Jugendliche treffen. Minderjährige sind von der gesetzlichen Unfallversicherung untererfasst: Da noch keine Sozialversicherungsbeiträge einbezahlt wurden, kann in der Folge keine Pension ausbezahlt werden. Die Auswirkungen können sehr dramatisch sein. Ein Unfall beim Schulschikurs mit Hubschraubereinsatz beispielsweise kann sehr teuer kommen und auch die finanziellen Belastungen bei gesundheitlichen Folgeschäden.
xBN.news: Die Durchdringung liegt in Österreich bei 50 Prozent – und das schon seit Jahrzehnten. Wie könnten diese Gefahren besser aufgezeigt werden?
Stefan Mikula: Hier hilft nur kontinuierliche Beratung und Bewusstseinsarbeit. Bei jedem Beratungsgespräch durch die Expertinnen und Experten der ÖBV wird eine Risikoanalyse gemacht, bei der auch diese Aspekte abgefragt werden.
Wie gesagt, die Unfallversicherung ist existenzabsichernd – noch viel mehr als die Risikolebensversicherung – und das zu durchaus leistbaren Prämien, bereits um die 20 oder 25 Euro im Monat. Letztere ist häufig obligatorisch, etwa bei Aufnahme eines Hypothekarkredits. Eine eventuelle jahrzehntelange Pflegebedürftigkeit des Partners oder des Kindes infolge Unfalls kann eine Extrembelastung sein, derer viele Menschen sich nicht gewahr sind. Die Erfordernisse durch nötig gewordene Umbauten im Heim oder Heilbehelfe können in die hunderttausenden Euros gehen.
Karl Koczurek: Auch hinsichtlich Unfallversicherung haben wir im Rahmen der bereits erwähnten Zukunftssicherung ,eine Türe aufgemacht’, die Unternehmen interessante Perspektiven bietet: Sie können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend absichern, Arbeitgeber können so signalisieren, dass sie Verantwortung für ihre Belegschaft übernehmen nicht nur in der Zeit, in sie im Betrieb ist, sondern auch darüber hinaus – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr und das weltweit.
Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber
xBN.news: Das wäre somit ein attraktives Gesamtpaket, das Unternehmen schnüren können, um die Mitarbeiterbindung zu fördern …
Karl Koczurek: Genau, es ist ein großes Zeichen von Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber.
Stefan Mikula: Wir sind ein reiner Personenversicherer, die private Unfallversicherung ist daher ureigenster Bestandteil unseres Produktportfolios. Diese Sparte ist aber ein sehr umkämpfter Markt. Jedoch kann man in der Produktentwicklung auf Ansprüche einzelner Zielgruppen oder auf spezielle Bedürfnisse bei der Freizeitgestaltung deutlich besser eingehen, als es bei der Lebensversicherung der Fall ist. Wir haben mit unseren Bausteinen maßgeschneiderte Lösungen sowohl für unseren Kernbereich, den öffentlichen Sektor, aber genauso gut auch für andere Personengruppen.
xBN.news: Wie läuft der Vertrieb generell bei der ÖBV?
Karl Koczurek: Der Vertrieb läuft auf der einen Seite über den angestellten Stammvertrieb, andererseits über Makler, d.h. über große Maklerverbände aber auch einzelne Makler. Bei uns ist die Zusammenarbeit geprägt von einem bodenständigen, persönlichen Miteinander, einem überzeugenden Backoffice und einer unterstützenden Vertriebssteuerung. In Maklerrankings sind wir daher regelmäßig unter den Top 5 zu finden.
xBN.news: Wie stark ist die ÖBV-Vertriebsmannschaft?
Karl Koczurek: Im Stammvertrieb zählen wir rund 170 hauptberufliche Außendienstmitarbeiter, hinzu kommen österreichweit weitere 170 nebenberufliche. Wir arbeiten daneben mit dem ungebundenen Vertrieb zusammen, mit unseren Maklerpartnern und exklusiv mit Agenturen und Mehrfachagenten.
xBN.news: Was bietet die ÖBV hinsichtlich Digitalisierung und Vertriebsservicierung?
Karl Koczurek: Sowohl der angestellte als auch der ungebundene Vertrieb profitieren von einer voll digitalisierten Antragsstrecke – von der Risikoanalyse über das Beratungsprotokoll und Offert- sowie Vertragserstellung bis hin zum Abschluss.
Stefan Mikula: Unterschiedliche Produkte benötigen natürlich jeweils ein unterschiedliches Setting. Bei einer Standard-Kfz-Versicherung ist der Kunde, die Kundin dankbar, wenn alles elektronisch in rascher Abfolge durchgeführt werden kann, bei einer Vorsorgelösung mit monatlichem Sparbetrag in Höhe von 500 Euro ist uns ein persönliches Gespräch mit Bestbetreuung mehr als wichtig.
Die Digitalisierung soll den Menschen unterstützen aber keineswegs ersetzen.
xBN.news: Abschließende Frage noch zum Zahlenwerk der ÖBV …
Stefan Mikula: Pro Jahr generiert die ÖBV 185 Millionen Euro an Beitragsvolumen, wovon 160 Millionen auf die Lebensversicherung entfallen und 25 Millionen auf die Unfallversicherung. Dem steht ein verwaltetes Vermögen für die rund 270.000 Mitglieder von knapp zwei Milliarden Euro gegenüber.