In einer Welt, die von geopolitischen Unsicherheiten, technologischen Umbrüchen und zunehmenden regulatorischen Anforderungen geprägt ist, sehen sich viele österreichische Unternehmen als widerstandsfähig. Doch der Blick hinter die Fassade zeigt: Wichtige Stellhebel wie die strategische Nutzung von Daten, agile Reaktionsfähigkeit und ein professionelles Risiko-Management werden häufig noch nicht konsequent genutzt. Oft fehlt es an klaren Strukturen, ausreichenden Ressourcen oder der systematischen Einbindung vergangener Krisenerfahrungen. Gleichzeitig bleiben digitale Chancen zur Risikoerkennung und Effizienzsteigerung vielerorts ungenutzt – und das, obwohl die Bedrohungslage kontinuierlich wächst.
Unternehmen in Österreich sehen sich in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten, technologischer Umbrüche und zunehmender Regulierungen als widerstandsfähig – gleichzeitig zeigt sich aber, dass wichtige Hebel wie Datenverfügbarkeit, Agilität und die strategische Einbindung von Risikomanagement oft noch nicht voll ausgeschöpft werden. Das ist das zentrale Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage von EY Österreich, CRIF und Business Circle, an der Vertreter von 55 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen teilgenommen haben. „In einer Welt, die sich rasch ändert, braucht es mehr als punktuelle Krisenreaktionen. Risikomanagement muss heute ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein – und Daten bilden dabei das Fundament“, betont Markus Hölzl, Partner bei EY Österreich.
Strukturelle Defizite und ungenutzte Chancen im Risikomanagement
Laut Analyse schätzen fast neun von zehn Unternehmen (87,3 Prozent) ihre Organisation als stark oder sehr stark widerstandsfähig gegenüber Krisen ein. Doch der kritische Blick offenbart Schwächen: 38,2 Prozent messen ihre Resilienz nicht. „Diese Lücke zwischen Selbstbild und Realität ist riskant. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig es ist, Resilienz nicht nur zu behaupten, sondern messbar zu machen und kontinuierlich weiterzuentwickeln“, sagt Anca Eisner-Schwarz, Geschäftsführerin von CRIF Österreich. Mehr als ein Fünftel der Unternehmen (21,8 Prozent) hat keine eigene Risikomanagement-Abteilung oder -funktion. Bei knapp der Hälfte (47,3 Prozent) ist weniger als eine Vollzeitkraft dafür zuständig. 30 Prozent der Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden geben auch an, dass sie keine Ressourcen für Risikomanagement bereitstellen.
Krisenlandschaft: Aktuelle Risiken und künftige Gefahren im Fokus
Die Unternehmen sehen aktuell vor allem Marktrisiken (69,1 Prozent) als größte Herausforderung, gefolgt von Technologie- (45,5 Prozent), Finanz- (43,6 Prozent) und geopolitischen Risiken (40,0 Prozent). Auch Personalrisiken (29,1 Prozent) gewinnen zunehmend an Bedeutung. Für die kommenden Jahre erwarten die Unternehmen einen Anstieg bei geopolitischen Risiken (47,3 Prozent) und Personalrisiken (45,5 Prozent), während Marktrisiken (56,4 Prozent) und Technologie-/Cyberrisiken (41,8 Prozent) weiterhin auf hohem Niveau bleiben. Gerhard Pichler, Geschäftsführer des Business Circle, dazu: „Diese Einschätzungen verdeutlichen, dass Unternehmen immer stärker vernetzte und globale Zusammenhänge im Blick behalten müssen, um langfristig erfolgreich zu bleiben.“
Selbstbild oft stark, Datenmangel hemmt die Umsetzung
Die Studie zeigt: 70,9 Prozent der Unternehmen schätzen ihre Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen als agil oder sehr agil ein. Dennoch überwacht etwa ein Drittel (34,5 Prozent) externe Entwicklungen zur Ableitung akuten Handlungsbedarfs nur schwach. Positiv ist jedoch, dass 78,2 Prozent Erkenntnisse aus vergangenen Krisen zumindest teilweise in die Strategie einfließen lassen.
Ein zentrales Hindernis für proaktives Risikomanagement bleibt der Mangel an Daten. 45,5 Prozent der Unternehmen geben an, dass ihnen die notwendigen Informationen für eine aktive und agile Steuerung nicht zur Verfügung stehen. Nur 14,5 Prozent haben vollständigen Zugriff auf Echtzeitdaten, während 45,5 Prozent kaum oder gar keine Echtzeitinformationen nutzen können. Die Studie zeigt deutlich, dass Unternehmen vor allem in der konsequenten Nutzung von Daten und Technologien noch aufholen müssen, um Risiken wirklich als Chancen zu verstehen. Wer heute datengetrieben arbeitet, kann nicht nur schneller und präziser reagieren, sondern auch Wettbewerbsvorteile schaffen.
Geplante Technologieinvestitionen stärken künftige Agilität
Österreichische Unternehmen planen verstärkt, in moderne Technologien zu investieren, um ihr Risikomanagement agiler und datengetriebener zu gestalten. Laut Studie wollen 43,6 Prozent der Unternehmen künftig verstärkt Datenanalyse-Tools einsetzen, um Risiken präziser identifizieren und steuern zu können. Zudem plant etwa ein Drittel (32,7 Prozent) die Nutzung von Automatisierungslösungen, beispielsweise Robotic Process Automation (RPA), um Prozesse effizienter zu gestalten und schneller auf Krisenszenarien reagieren zu können. Dies zeigt, dass die Bedeutung digitaler Tools zunehmend erkannt wird, jedoch die tatsächliche Umsetzung und Integration in bestehende Risikomanagement-Systeme noch deutlich verbessert werden muss. „Datengetriebenes Risikomanagement schafft nicht nur Transparenz, sondern ermöglicht auch proaktive Entscheidungen, die Unternehmen resilienter machen“, so Eisner-Schwarz. Pichler ergänzt: „Unsere Umfrage zeigt klar, dass Unternehmen ihre Widerstandskraft gegenüber Krisen objektiv messen und kontinuierlich verbessern müssen, um langfristig erfolgreich zu sein.“
Technologielücke: Kaum Vorbereitung auf AI-Act
Zwar setzen bereits 36,4 Prozent der Unternehmen Technologien wie KI oder Automatisierung im Risikomanagement ein, gleichzeitig aber ist die Vorbereitung auf die neue EU-Verordnung (AI-Act) erschreckend gering: Fast zwei Drittel (63,6 Prozent), der durch den AI-Act betroffenen Unternehmen, haben bisher kaum oder keine Maßnahmen gesetzt, 27,3 Prozent sind sich der Anforderungen noch nicht oder nur wenig bewusst. Nur 13,7 Prozent der Unternehmen bewerten ihr Wissen über die Anforderungen des AI-Acts als sehr hoch. „Der Anpassungsbedarf wird unterschätzt. Unternehmen müssen schnell handeln, um regulatorische Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern auch als Innovationschance zu nutzen“, ergänzt Hölzl abschließend.
(pi)