Peter Lenz, Managing Director von T-Systems Austria, im Interview
Künstliche Intelligenz, Innovationszyklen, Arbeitsmarkt, Europa: Themen mit vielen Fragen in Bezug auf Management-Entscheidungen und die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben dazu den Vordenker und Vorsitzenden der Geschäftsführung von T-Systems Austria, Peter Lenz, zum Gespräch gebeten.
“Möglichkeiten und Risiken skalieren zeitgleich auf eine nie dagewesene Weise, sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft”, so Peter Lenz gleich zu Beginn. Es gelte, massive wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen zu adressieren, und gleichzeitig bisher ungeahnte Potenziale zu heben. Peter Lenz gibt in diesem Interview sowohl Einblicke in aktuelle, internationale technologische Entwicklungen, als auch in die Anforderungen an Executives, Menschen auf diesem Weg mitzunehmen: “Kein Unternehmen ist eine Insel. Es geht nur gemeinsam.”
Künstliche Intelligenz: Eine Investition in die Zukunft
“Eines der prägendsten Gespräche, an dem ich in letzter Zeit teilgenommen habe, war das zwischen dem CEO der Deutschen Telekom, Tim Höttges, und Masayoshi Son, dem CEO von Softbank. In dem Gespräch erzählt Son, dass er plant, in den kommenden Jahren 100 Milliarden Dollar in Künstliche Intelligenz zu investieren. Zusammengenommen mit Investitionen von Oracle und OpenAI werden insgesamt rund 500 Milliarden Dollar in diesen Sektor fließen.” Das ist aber nicht alles: “Besonders bemerkenswert ist Sons Prognose: Er erwartet, dass sich in den nächsten zehn Jahren eine Form der Artificial Super-Intelligence entwickeln wird, die eine Intelligenzsteigerung um den Faktor 10.000 ermöglicht. Das wäre wie ein Sprung vom Intellekt eines Fisches zum Menschen”, so Peter Lenz. Aber was bedeutet das nun für Unternehmen und für Europa?
Europa zwischen Nachholbedarf und Chancen
“Europa steht in Sachen Digitalisierung nicht an der absoluten Spitze, ist aber auch keineswegs abgeschlagen. Gleichzeitig gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen den ambitionierten Visionen globaler Tech-Giganten und der Realität vieler europäischer Unternehmen.” Peter Lenz illustriert eine Einschätzung anhand eines Beispiels aus einer Roundtable-Diskussion in Graz: “In vielen Unternehmen ist KI noch eine Spielwiese. CEOs sagen zu ihren IT-Leitern: ‘Macht mal was mit KI.’ Die Reservation von Peter Lenz. “Ohne klare Problemstellung bleibt das oft nur im Bereich eines Experiments stecken und erreicht nie echte Relevanz, Einsparung, Effizienzsteigerung.”
Inzwischen erkennen jedoch viele Organisationen den Wert von Proof-of-Concepts und strukturieren ihre KI-Initiativen gezielter. Die Herausforderung liegt dabei oft in der Datenbasis: Daten liegen in Silos, sind nicht gut aufbereitet oder nicht für KI-Anwendungen optimiert. “Ein Unternehmen, mit dem wir vor sieben Jahren begonnen haben, seine Datenarchitektur aufzubauen, ist jetzt erst an dem Punkt, dass KI sinnvoll eingesetzt werden kann. Das zeigt, wie lange es dauert, die Grundlagen zu schaffen.”
Effizienzsteigerung vs. Angst vor Arbeitsplatzverlust
Einer der größten Mythen rund um KI ist die Angst vor massenhaftem Jobverlust. Tatsächlich jedoch zeigt sich in der Praxis, dass Unternehmen, die Automatisierung und Digitalisierung sinnvoll einsetzen, meist wachsen, und das auch bei den Beschäftigtenzahlen. Der Fachkräftemangel zeige zudem, dass Unternehmen trotz Effizienzsteigerung weiterhin auf gut ausgebildete Mitarbeiter angewiesen sind.
Besonders wichtig sei es, Mitarbeitende aktiv in den Wandel einzubinden: “Wenn Menschen nicht abgeholt werden, entstehen Widerstände. Unternehmen müssen deutlich machen, dass KI sie unterstützt, nicht ersetzt. Sonst blockieren Angst und Unsicherheit den Fortschritt.”
Von Datenverwaltung bis Cybersecurity: Die nächsten Herausforderungen
Die technologischen Entwicklungen werfen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sicherheitsrelevante Fragen auf. “Ein Thema mit bleibendem Fokus ersten Ranges ist Cybersecurity. Mit der EU-Richtlinie NIS2 sind mehr Unternehmen als je zuvor verpflichtet, sich intensiv mit IT-Sicherheit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig entwickeln sich Bedrohungen durch KI-gestützte Cyberangriffe weiter”, so Lenz.
Als weiteres brisantes Thema nennt Peter Lenz Datensouveränität: “Große Unternehmen gehen verstärkt dazu über, interne KI-Systeme aufzubauen, um ihre sensiblen Daten nicht in externe, meist US-amerikanische Cloud-Modelle zu geben. Wir sehen stark steigende Nachfrage nach sicheren, in Europa gehosteten Lösungen.”
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No-Code, Low-Code und die Automatisierung der Administration
Ein weiteres wachsendes Feld ist die Entlastung von Wissensarbeit und die Automatisierung von Administration, beispielsweise im Bereich Reporting. Low-Code- und No-Code-Plattformen gewinnen hier an Bedeutung, da sie es Unternehmen ermöglichen, Prozesse ohne tiefgehende Programmierkenntnisse zu automatisieren. Ein aktuelles Beispiel: Eine österreichische Landesregierung arbeitet mit automatisierungs-gestützten Workflows, um den erwarteten Pensionierungswellen der nächsten Jahre zu begegnen.
“Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein IT-Werkzeug nicht nur Effizienz schafft, sondern auch den Fachkräftemangel abfedert und die Belegschaft von stumpf-repetitiven Aufgaben entlastet. Es geht dabei vor allem darum, die vorhandene Arbeit intelligenter zu organisieren.”
Fazit: Technologie trifft Mensch
Die technologische Revolution ist in vollem Gange, doch ihr Erfolg steht und fällt mit dem menschlichen Faktor. Unternehmen, die KI nur als Sparmaßnahme sehen, werden Schwierigkeiten haben. Diejenigen, die Technologie gezielt zur Entlastung, Innovation und Verbesserung der Arbeitswelt einsetzen, werden hingegen langfristig profitieren und wachsen.
Peter Lenz: “Die Zukunft gehört denjenigen, die Technologie nicht nur beherrschen, sondern sie vor allem sinnvoll und mit Weitsicht einsetzen. Wir stehen an einem Wendepunkt – und Europa hat noch alle Chancen, eine führende Rolle zu spielen, wenn wir diese Wende intelligent managen.”
Das Gespräch führte xBN Herausgeberin Isabella Mader.