US-Bank-Pleiten: In den USA kam innerhalb von nur einer Woche die dritte Bank in Folge ins Straucheln. Wie stark ist das Ansteckungsrisiko für europäische Banken? Und wie werden die Notenbanken EZB und die Federal Reserve in ihren Geldmarktsitzungen dieser Tage reagieren?
Am Sonntag, 12. März 2023, wurde von den Aufsichtsbehörden des Bundesstaates New York die im Kryptosektor engagierte Signature Bank geschlossen und unter Konkursverwaltung gestellt. Am Freitag davor war die Silicon Valley Bank (SVB) kollabiert. Und nur Tage zuvor die stark auf den Digitalwährungsbereich fokussierte Silvergate Capital Corp. Reißt nun ein Domino-Effekt weitere Banken in den Abgrund?
Trotz Bank-Pleiten: „US-Bankensystem ist sicher”
Der US-Bundeseinlagensicherungsfonds FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) ist in die Bresche gesprungen und hat die SVB-Einlagen garantiert. Und US-Präsident Joe Biden hat in einer kurzen Rede die Sicherheit des US-Bankensystems betont. Immerhin übernimmt weiters die britisch-asiatische HSBC die UK-Einheit von SVB.
Diese – zwar regional begrenzten – Turbulenzen infolge von Bank-Pleiten sind freilich nicht ohne Auswirkungen auf die globalen Kapitalmärkte geblieben. Die im amerikanischen Börsen-Index Standard & Poor’s 500 enthaltenen Banken haben im Laufe der Woche mehr als 15 Prozent eingebüßt. Am Montag ist der deutsche Leitindex DAX im Handelsverlauf unter die 15.000-Punkte-Marke gesackt und das österreichische Börsenbarometer ATX hat den Montagshandel um 4,08 Prozent tiefer beendet.
Ursache: Massive Marktwertverluste bei langlaufenden Anleihen
Der Untergang der Hausbank der Tech- und Startup-Szene, SVB, erfolgte rasch, innerhalb von nur zwei Tagen. Die Bank hatte am Mittwoch, dem 8. März, in einer Pressemitteilung über ihren Kapitalbedarf in Höhe von mehr als zwei Milliarden US-Dollar berichtet. Dieser war entstanden, als „wesentliche Gruppen des Einlegerstamms, etwa Unternehmer, ihre Finanzmittel aus anderen Quellen, beispielsweise Risikokapital, versiegen sahen. Sie begannen ihre Einlagen bei der SVB abzuziehen”, diagnostiziert Stephen Dover, Leiter des Franklin Templeton Institute.
Um den Kapitalbedarf zu decken, war die SVB gezwungen, Bestände an US-Staatsanleihen zu verkaufen. Angesichts des starken Zinsanstiegs und des Kursverfalls der Anleihen im vergangenen Jahr führten diese Verkäufe zu den erheblichen Verlusten. Die Ausgabe neuer Aktien sollte das Leck stopfen helfen.
Aber Parade-Investoren und Venture-Kapitalgeber – allen voran laut Medienberichten PayPal-Ko-Gründer Peter Thiel – reagierten alarmiert und empfahlen ihren Portfolio-Unternehmen unverzüglich ihre Gelder abzuziehen. Da die SVB-Aktie in der Folge um mehr als 60 Prozent einbrach, konnte das benötigte Kapital nicht aufgebracht werden. Auch ein Notverkauf scheiterte.
Bei der Schließung der SVB am Freitag kündigte der FDIC an, dass Einlagen bis zu 250.000 US-Dollar garantiert würden. Für Einlagen darüber werde es „Zertifikate” geben, deren Wert von der Erholungsrate der SVB-Vermögenswerte abhinge. Diese Entscheidung machte große Einleger bei anderen US-Banken, wenngleich nicht „systemrelevante” Institute, nervös, berichtet Dover weiter. Viele kleinere Banken im ganzen Land zogen daraufhin ihre Einlagen in großem Umfang ab.
Neue Fed-Fazilität beruhigt die Märkte
Aber, ein Flächenbrand konnte verhindert werden: Einerseits durch das rasche Eingreifen der US-Notenbank und andererseits das rasche Einrichten des neuen „Bank Term Funding Program“. Damit schafft man eine zusätzliche Liquiditätsquelle, denn hochwertige Wertpapiere können verpfändet werden.
Gefährdete Banken sind so in der Lage, ihre Vermögenswerte weiter in der Bilanz zu halten, anstatt sie auf dem Markt verkaufen und Verluste realisieren zu müssen. Dies ist vor allem in einem Umfeld steigender Zinssätze von entscheidender Bedeutung, da der Marktwert dieser Vermögenswerte unter Druck bleiben wird, wenn sie zu Marktpreisen bewertet werden.
US-Geschäftsbanken weiter unter Druck
Die Gefahr weiterer „Bank-Runs” dürfte damit für’s Erste abgewendet sein. Allerdings: Die „traditionellen” Geschäftsmodelle der Banken beruhen darauf, „dass sie Kredite zu niedrigeren Zinsen aufnehmen und zu höheren Zinsen vergeben – was so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was der Markt derzeit bietet”, bemerkt Gregor Hirt, Global CIO Multi Asset bei Allianz Global Investors. In diesem Umfeld würden die US-Geschäftsbanken besonders unter Druck geraten, da sie stark im Immobiliensektor engagiert sind, glaubt Hirt.
Gleichzeitig beginnen Teile der US-Wirtschaft unter den höheren Zinsen zu leiden, was zu mehr Ausfällen führt. Dies könnte sich im Laufe der Zeit zunehmend auf die Bilanzen der Banken auswirken. Steigt die Verschuldung der US-Verbraucher weiter an, ist auch mit mehr Kreditausfällen zu rechnen.
„Risiko bei diversifizierten europäischen Banken gering”
„Die Bilanzstruktur der SVB war im Vergleich zu vielen großen Universalbanken weniger diversifiziert. Aufgrund des sehr spezifischen Kundentyps – Tech-Unternehmer – war SVB auch stärker von Einlagenabflüssen betroffen”, erklärt Guy de Blonay, Investment Manager für Finanzaktien bei Jupiter Asset Management.
Das Risiko eines großen Abflusses von Einlagen und anschließender Veräußerung von Anleihen und Kapitalemissionen schätzt de Blonay für diversifizierte europäische Banken als gering ein. Dennoch lenkt dieses Ereignis die Aufmerksamkeit auf die sich ändernde Geldpolitik und ihre möglichen Auswirkungen auf die Banken.
Steigende Zinssätze und eine quantitative Straffung, die dem Finanzsystem Liquidität entzieht, müssen mit viel Feingefühl eingesetzt werden: Sie können den Wert von Vermögenswerten und Einlagen unter Druck setzen. Sie können auch die Bilanzstrukturen verändern und sich auf den Nettozinsertrag auswirken, insbesondere in den USA.
Keine drohende Schockwelle wie in 2008
Eine Schockwelle wie in den Jahren 2007/2008 hält auch der Wirtschaftswissenschafter und das ehemalige Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank Andreas Dombret für unwahrscheinlich. In einem Artikel für Dow Jones Financial News führt er an, warum:
- Es haben nur wenige Banken eine derart hohe Konzentration des Geschäfts auf einen Sektor wie die SVB
- Kaum eine andere Bank hält einen derart großen Teil ihrer Aktiva in Form von unzureichend abgesicherten Staatsanleihen
- Die SVB war als Regionalbank weniger stark reguliert als andere US-Banken ihrer Größe
- Es gibt sowohl in den USA als auch im Ausland genügend Banken, die die Vermögenswerte der SVB übernehmen können
- Die SVB befindet sich nun ja bereits in geordneter Auflösung
Der größte Fehler im SVB-Geschäftsmodell sei gewesen, so Dombret, dass sie ihr Zinsänderungsrisiko falsch gemanagt habe, indem sie zur falschen Zeit in festverzinsliche Wertpapiere mit sehr niedrigen Renditen investiert habe.
EZB dürfte Zinsen trotzdem weiter erhöhen …
Die europäische Notenbank, die EZB, muss sich in dieser Woche genau überlegen, wie und was sie auf ihrer geldpolitischen Sitzung kommunizieren will. Der EZB-Rat hat ja bei seinem letzten Meeting angekündigt, am 16. März 2023 eine weitere Zinserhöhung beschließen zu wollen – um 0,5 Prozentpunkte. Der wichtigste Leitzins im Euro-Raum liegt aktuell bei 3,0 Prozent.
Würde eine Zinserhöhung vor dem Hintergrund dieser Schwankungen an den Kapitalmärkten eine Finanzkrise begünstigen? Sandra Holdsworth, Head of Rates bei Aegon Asset Management, erwartet, dass sich die Europäische Zentralbank an ihre Verkündung halten wird und die Zinsen erhöht.
… und die Fed wohl auch
Dover: „Wenn das SVB-Problem jetzt unter Kontrolle ist und die Inflation in dieser Woche nicht unerwartet zurückgeht, könnte die US Notenbank, die Federal Reserve, die Zinsen auf ihrer Sitzung am 21. und 22. März ebenfalls um 50 Basispunkte erhöhen.”