Leider weithin unbekannt – jedoch mit relevanten finanziellen Konsequenzen: Das neue EU-Emissionshandelssystem ETS-2 gilt für Emissionen aus dem energetischen Einsatz fossiler Energieträger unter anderem in den Sektoren Gebäude, Verkehr, und kleine Industrie. Berichtspflichtig sind die Inverkehrbringer der Energieträger (also etwa Energiekonzerne), nicht jedoch die Personen, die die Emissionen letztendlich tätigen werden. Die Energiekonzerne werden somit die Zertifikate kaufen und auf ihre Preise aufschlagen, die Abnehmer werden diese Preise auf ihrer Rechnung wiederfinden. Durch die schrittweise Reduktion und damit die Verteuerung der Zertifikate werden fossile Energieträger schließlich unerschwinglich, womit letztlich die Umrüstung auf erneuerbare Energie motiviert werden soll. ETS-2 beginnt mit Berichtspflichten für 2024 ab dem Jahr 2025 und nach derzeitigem Stand mit dem Handel ab 2028.
Die Diskussion über Kosten für die klimafreundliche Umrüstung von Immobilien ist in einem Jahr vor den Europawahlen unbequem. Aus der Sicht von Immobilieneigentümern und letztlich allen Wohnenden sehen wir es als Medium dennoch als unsere Pflicht, gesetzliche Neuerungen zu nötigen Investitionen in beträchtlicher Höhe zu publizieren und über den aktuellen Stand kommender gesetzlicher Regelungen laufend zu informieren. Investitionen wollen schließlich geplant und finanziert werden. Dazu braucht es rechtzeitige Vorbereitung und Information.
In der öffentlichen Diskussion kommt die neue gesetzliche Verpflichtung (ab 2024) zum ETS-2 Emissionshandelssystem so gut wie nicht vor, obwohl sie massive finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen wird – entweder in Form umfangreicher Gebäudesanierung (Heizungsausbau und Neu-Installation alternativer Anlagen) oder in Form stark steigender Energiekosten – durch den Aufschlag der Zertifikatspreise auf die Energiekosten. Es gibt also kein Entrinnen, und Investitionsentscheidungen werden zeitnah (also jetzt) vermutlich kostengünstiger ausfallen als in ein paar Jahren, allein aufgrund der Knappheit der auf dem Weltmarkt verfügbaren neuen Anlagen und der limitierten Anzahl an Installationsbetrieben für die Umrüstung. Auch hier wird Knappheit die Verteuerung der Leistung und der Anlagen antreiben.
1,4 Millionen Heizungsanlagen in Österreich umzurüsten
Laut Webseite des Klimaschutzministeriums sind in Österreich derzeit rund 840.000 Gasheizungen, 500.000 Ölheizungen und 80.000 Heizungen mit Koks bzw. Kohle in Betrieb. Die Bundesinnung der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker informiert, dass sie in Österreich 5.430 Mitgliedsbetriebe hat. Die daraus zweifelsfrei ablesbare Knappheit legt nahe, die Investitionsentscheidung für die Umrüstung von Anlagen zeitgerecht in Angriff zu nehmen.
Kostenbeispiel und Förderungen für ein Einfamilienhaus und die Frage, ob das Abholzen von Wald zur Klimaneutralität führt
Das auf der Webseite des Klimaschutzministeriums verlinkte Service “Raus aus Öl Heizkostenrechner” bringt mit dem Beispiel eines Einfamilienhauses in Niederösterreich das bemerkenswerte Ergebnis, dass Stückholz- und Pelletheizungen gefördert werden, Erdwärme-Anlagen allerdings nicht. Einerseits wird mit Pelletheizungen im großen Stil Holz verbraucht, wobei mit steigender Anzahl von Pelletheizungen hier letztlich auch Knappheit und das Abholzen von Wald in naher Zukunft geradezu zwingend am Ende der Kalkulation steht. Die nächste Falle scheint also vorprogrammiert: Aufgrund der zunehmenden Dichte von Pelletheizungen scheinen ebendiese bereits vor ihrem Einbau perfekte Kandidaten für die nächsten Verbotslisten und damit teuren Heizungstausch zu sein. Das Kostenbeispiel für ein Einfamilienhaus in Niederösterreich mit 175m2 Wohnfläche zeigt die Tabelle des Heizkostenrechners (siehe Abbildung). Auf der Seite des Klimaschutzministeriums finden Sie weitere Tools zur Kostenberechnung für den Umstieg. Die Frage, ob die Förderung von Pellets- und Stückholz-Heizungen sinnvoll ist, lässt sich schwer beurteilen. Weitsichtig erscheint sie jedenfalls nicht, zumal gerade die Rodung von Wäldern ja sicherlich keine Option ist, die mittel- und langfristig ernsthaft angestrebt werden kann.
Zinshäuser, Mietwohnungen und Fernwärme
Durch den (zumeist) Gasanteil der Fernwärme stellt sich mittelfristig Fernwärme als Kostenfalle dar, weil durch den Anteil an fossilen Brennstoffen in der Erzeugung der Preis von Fernwärme im Wege über die ETS-2 Zertifikate empfindlich steigen wird – durch die Verknappung der Zertifikate schließlich auf unbezahlbare Höhe. Sollte es den Energieanbietern also nicht gelingen, den fossilen Anteil der Fernwärme durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen, wird das Fernwärme-System ab 2028 ebenfalls ein Kostentreiber bei den angeschlossenen Haushalten. Eine Umrüstung des gesamten Fernwärmenetzes scheint unrealistisch.
ETS-2 induzierte Inflation
Im Warenkorb zur Inflationsberechnung nehmen die Energiekosten naturgemäß einen prominenten Platz ein – und nachdem Energie in allen Folgeleistungen enthalten ist, wird in Europa mit einer zusätzlichen ETS-2 induzierten Inflation ab 2028 zu rechnen sein. Dies vor allem deshalb, weil die Umrüstung von Anlagen schon allein durch die Knappheit der Ressourcen (Anzahl an Installationsbetrieben und Anlagen, aber auch finanzieller Mittel der betroffenen Haushalte und Immobilieneigner) nicht zeitgerecht umgesetzt sein wird.
Umsetzung in nationales Recht und Inkrafttreten nach dem Einsetzen der Berichtspflicht
Das Klimaschutzministerium informiert auf seiner Webseite, dass die Umsetzung in nationales Recht mit 31.12.2023 erfolgen wird. Von der Pressestelle des Ministeriums erfahren wir: “Die Verhandlungen sind im Endstadium und es ist davon auszugehen, dass der Rechtsakt im Frühjahr 2024 veröffentlicht wird. Dazu wird es ein Musterformular zur Unterstützung für die Handelsteilnehmerinnen und -teilnehmer geben; dies sind die Inverkehrbringer der Energieträger, nicht jedoch die Personen, die die Emissionen letztendlich tätigen werden.” Die Emissionen von 2024 werden im ersten Halbjahr 2025 zu berichten sein, in welcher Weise dies zu erfolgen hat, erfahren die betroffenen Inverkehrbringer allerdings erst im Frühjahr 2024. Vielleicht aber auch später. Die Messung des CO2 Verbrauchs sollte dennoch für das gesamte Jahr 2024 gelten – wobei die Anlagen und Metriken dafür vielfach nicht vorhanden sein werden. Wie diese Messung für das Reporting ab 2025 zu machen sein wird, ist derzeit unklar.
Herausforderungen werden bleiben
Die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen und das Erreichen von Klimazielen ist fraglos ein Gebot der Zeit. Zeitgerechte und proaktive Information der Betroffenen (letztlich aller Bürgerinnen und Bürger) wäre deshalb wünschenswert. Eine allgemein gehaltene Information auf einer Subseite des Ministeriums wird jedoch von den meisten Menschen nicht gefunden werden. Investitionsentscheidungen oder Kostensteigerungen relevanten Ausmaßes, die letztlich alle auf die eine oder andere Art treffen werden, sind rechtzeitig einzuplanen. Reporting retroaktiv zu betreiben wird unter Umständen mit den derzeit in verschiedenen Gebäuden existierenden Metriken und Anlagen eventuell überhaupt nicht möglich sein. Mehr proaktive Information seitens des Klimaschutzministeriums außerhalb der eigenen Webseite, nicht nur zu den Zielen, sondern auch ganz konkret zu den Kosten wäre wünschenswert. Auf unsere Rückfrage, wer genau die “Inverkehrbringer” fossiler Energieträger sind, haben wir in den letzten 10 Tagen seitens des Klimaschutzministeriums leider keine Antwort erhalten. Wir stellen die Frage, ob Inverkehrbringer nur Energiekonzerne sind oder schließlich auch Pellets-Hersteller? Es ist verständlich, dass die Kommunikation massiver Investitionen schwierig ist, dennoch wird diese Diskussion zu führen sein. Das ETS-2 System und die damit verbundenen Konsequenzen waren dem Großteil der von uns befragten Klimaschutz-Beauftragten übrigens nicht bekannt. Wir sehen es als Medium deshalb als unsere Pflicht an, diesen Diskurs mit laufenden Informationen und Rückfragen anzustoßen. Es wäre sehr erfreulich, wenn eine Gesellschaft, die sich für Klimaneutralität mehrheitlich entschieden hat, und im wahlberechtigten Alter vermutlich nicht mit einem Gratis-Handout gerechnet hat, rechtzeitig nicht nur über die angestrebten löblichen Ziele, sondern auch über die involvierten Kosten informiert wird. Bislang sehen wir Werbung zur Notwendigkeit des Heizungstausches, aber nicht dazu, mit welchen finanziellen Konsequenzen aus dem Titel des ETS-2 der Gesetzgeber diesem unausweichlich Nachdruck verleiht.
Wir werden weiter berichten und freuen uns über Ihre Reaktionen unter redaktion@xbn.news.