Einerseits gibt es weniger Wirtschaftstitel in der Medienlandschaft, Wirtschaftsredaktionen werden „ausgedünnt“ und Wirtschaftssendungen an den „Tagesrand“ geschoben, andererseits ermöglichen Online-Medien wie z.B. Instagram, Youtube oder TikTok völlig neue Zugänge, ökonomische Zusammenhänge zu erklären: Wie steht es also tatsächlich um die Wirtschafts- und Finanzbildung in der Bevölkerung? Um diese Frage zu beantworten, lud der Gründer des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK), Rudolf J. Melzer, zu einer Podiumsdiskussion mit Erste Bank CEO Gerda Holzinger-Burgstaller, Medienberater Hans Mahr, Börsechef Christoph Boschan, ORF-Chefredakteur Johannes Bruckenberger, FACC-Pressesprecher Jakob Reichsöllner-Frischling sowie dem Präsidenten des Finanzmarketingverbandes, Erich Mayer, in das Pressezentrum der APA – Austria Presseagentur.
Ob die gestiegenen Preise für Lebensmittel, die Sicherung der Pensionen oder eine Deckelung von Mieten – wirtschaftliche Themen dominieren zunehmend auch die politische Debatte. Damit steigt die Bedeutung um das Verständnis finanzieller und wirtschaftlicher Zusammenhänge. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Medien zu. Das Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation (www.ifwk.net) nahm sich Anfang der Woche dieses Themas an und erörterte, wie es den Medien gelingen kann, die Lücke zwischen informierten Experten und Laien zu schließen.
Bereits heute beschäftigten sich rund ein Viertel der täglich von der Austria Presse Agentur (APA) ausgesendeten Meldungen mit Wirtschaft, Börse und Finanzen, sagte APA-Chefredakteurin Maria Scholl. Und die Bedeutung von Nachrichten über wirtschaftliche und finanzielle Zusammenhänge werde weiter steigen, ist der Medienmanager und langjährige RTL-Chefredakteur Hans Mahr überzeugt. “Es gibt keine Politik ohne Wirtschaft”, stellte Mahr fest und verweist auf die jüngsten ORF-Sommergespräche mit heimischen Spitzenpolitikern. Wirtschaft sei oftmals eine Querschnittsmaterie, die in die unterschiedlichsten Bereiche hineinspiele.
Ein Problem sei die Tatsache, dass sich Meldungen über Wirtschaft und Finanz oftmals lediglich an einen kleinen Kreis von “Eingeweihten” richte und somit viele Menschen ausschließe, sagte APA-Chefredakteurin Scholl. Abhilfe schaffen könnten etwa Wirtschaftsnachrichten in einfacher Sprache, mehr Hintergrundberichte oder auch spannende niederschwellige Sendungsformate wie “2 Minuten 2 Millionen” oder “Höhle der Löwen”, wo Jungunternehmer versuchen, potenzielle Geldgeber von ihren innovativen Geschäftsideen zu überzeugen.
Mahr meinte weiter, die Wirtschaftsberichterstattung habe sich in den vergangenen fünf Jahren massiv verändert. „Der Nachrichtensender ntv bringt heute mehr wirtschaftliche Themen als Politik”. Zugleich sei es immens wichtig, die jüngere Zielgruppe der bis 30-Jährigen mit neuen sozialen Medienkanälen wie TikTok, Twitch oder Instagram abzuholen.
Leichterer Zugang durch Digitalisierung
Das Interesse an solchen Inhalten sei durchaus vorhanden. ORF-Chefredakteur Johannes Bruckenberger verwies darauf, dass Sendungen wie das TV-Wirtschaftsmagazin “Eco” am Donnerstagabend beachtliche Einschaltquoten erreichen würden.
Keine Berührungsängste mit modernen Medien wie TikTok habe die Wiener Börse, unterstrich Börse-Chef Christoph Boschan. “Wir tun das und haben eine große Freude damit” – trotz der 250 Jahre alten Geschichte des Hauses.
Erste-Bank-Chefin Gerda Holzinger-Burgstaller sieht große Fortschritte in der Digitalisierung, die leichten Zugang zu Information und Beteiligung am Finanzgeschehen ermögliche. Es gäbe aber noch deutlichen Handlungsbedarf, um Bildungslücken zu schließen. In repräsentativen Umfragen erklärten die Befragten, sich generell nicht oder nur wenig für finanzielle Themen zu interessieren. Das trifft im noch größeren Ausmaß auf Frauen als auf Männer zu. Und jeder zweite Jugendliche fühlt sich nach eigenen Angaben “nicht gut vorbereitet” für wichtige eigene finanzielle Entscheidungen.
Wie ertragreich eine Veranlagung am Kapitalmarkt sein kann, veranschaulichte Holzinger-Burgstaller, die auch als „Spartenvertreterin Bank und Versicherung“ in der WKO tätig ist, anhand einer Studie: Demnach hätte eine Veranlagung von 1000 Euro am Sparbuch über 18 Jahre rund 300 Euro Ertrag gebracht. Bei einem Investment in Aktien hätte sich das Anfangskapital auf das Fünf- bis Siebenfache erhöht. “Wir müssen die Leute abholen weg von der Ideologie zurück zu Zahlen, Daten und Fakten.”
Auch die österreichische Industrie nutzt moderne Medien, um Informationen zu teilen und Wirtschaftswissen weiterzugeben. So hat das Luftfahrtunternehmen FACC mit seinen Headquarters in Oberösterreich eine eigene Smartphone-App („FACC Space App“) entwickelt. Damit können alle Mitarbeiter auf Knopfdruck auf aktuelle Zahlen und Entwicklungen im Unternehmen zugreifen, sagte FACC-Sprecher Jakob Reichsöllner-Frischling.
Nicht auf Schule beschränken
Finanz- und Wirtschaftsbildung dürfe sich nicht nur auf die Schule beschränken, betonte Erich Mayer, Präsident des Finanz-Marketing-Verbands Österreich (FMVÖ). Das im internationalen Vergleich geringe Wissen und Interesse erkläre sich auch aus einer grundsätzlichen Skepsis im Land, wonach Engagement in Aktien fälschlicherweise oft als spekulativ dargestellt worden sei.
Börse-Chef Boschan ergänzt, dass es auf lange Sicht keine ertragreichere Veranlagungsform als Aktien gebe. “Wenn man langfristig an das Wachstum der Wirtschaft glaubt, dann führt an Investitionen in Aktien kein Weg vorbei.”
Risikokapital fehlt
Um das Finanzwissen der Menschen sei es in Österreich gar nicht so schlecht bestellt. Was in Österreich aber gegenüber Ländern wie den USA oder Skandinavien fehle, sei das Risikokapital und die Bereitschaft, Geld in vielversprechende Projekte zu investieren. “Junge Unternehmer schauen zum Teil als erstes auf staatliche Förderungen, dabei braucht es Aktienkapital zur Innovations- und Unternehmensfinanzierung”, so Börse-CEO Christoph Boschan.
Lebhafte Diskussion
Unter der Moderation von Hans-Peter Siebenhaar, Mitglied der Chefredaktion von Focus Money, München, diskutierten im Anschluss unter anderem der Finanzmarktanalyst Peter Brezinschek, APA-CFO und IFWK-Vizepräsidentin Doris Pokorny, Martha Salaquarda von VERBUND Energie4Business, der General Manager von Bossard Aerospace, Kai von Buddenbrock, Marlene Hanschitz-Halikias von Grant Thornton, der Anwalt Wilhelm Milchrahm, Karl Koczurek von der Österreichischen Beamtenversicherung ÖBV, respACT-Vorständin Gabriela- Maria Straka, die Corporate Communications Spezialistinnen Susanna Janovsky undWaltraud Kaserer sowie der Leadership-Trainer und Transformations-Experte Roman Oberauer.