IFWK: Entwarnung bei neuer EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung

v.l. Isabella Mader, Michael Ingerisch, Gabriela Straka, Doris Pokorny, Bernhard Sonntag und Marlene Halikias. © Gerald Kührer

Die „EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“ (CSRD) sollte bis 6. Juli 2024 in nationales Recht gegossen sein. Sie schreibt Unternehmen u.a. vor, die Nachhaltigkeitsberichte ab sofort im Lagebericht des jeweiligen Geschäftsberichts zu veröffentlichen, was einen bürokratischen Mehraufwand und zusätzliche Verantwortung für Geschäftsführung, Aufsichtsrat sowie Unternehmenskommunikation bedeutet. Das Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation (IFWK) diskutierte Grundlagen von Reporting und Prüfung, Erfahrungen aus einem konkreten Anwendungsfall und geeignete Software-Unterstützung des Reportings.

Marlene Halikias, Partnerin bei Grant Thornton in Österreich, verwies gleich zu Beginn
darauf, dass es im Ermessen jedes einzelnen Unternehmens liege, tatsächlich wesentliche
Themen zu identifizieren und damit zu definieren, welche Datenpunkte gemessen werden.
Sie empfahl, „die Themen in der Wesentlichkeitsanalyse möglichst gering zu halten“.
Diese von den „Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung“ (ESRS)
vorgegebene Wesentlichkeitsanalyse sei eine doppelte, so Halikias im Pressezentrum der
APA – Austria Presseagentur in Wien: „Man sieht sich einerseits finanzielle Wesentlichkeiten
an, also welche finanziellen Effekte gibt es? Und man sieht sich andererseits die
Auswirkungen einer Produktion oder Dienstleistung auf die Umwelt an; zum Beispiel
Grundwasser, Bodenversiegelung oder ähnliches.“

1.200 Datenpunkte im Auge haben

Neu ist, dass all diese Angaben von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden und diese
Informationen künftig standardmäßig einem Berichtsformat zugeordnet werden müssen.
Hierfür ist aber bereits Software-Unterstützung verfügbar, die automatisiert Daten einspielen
und dem „händischen“ Führen von Reportings z.B. in Excel klar überlegen ist, wie Michael
Ingerisch, Associate Partner bei IBM Consulting, erläuterte: „Je nach Umsatzgröße müssen
Unternehmen bis zu 1.200 Datenpunkte für das Reporting berücksichtigen. Dabei kommen
verschiedene Datentypen zum Einsatz. Unsere Software Envizi bietet hier eine effiziente
Lösung, indem sie diese Daten strukturiert und somit einen besseren Überblick über das
Unternehmen sowie die Grundlage für Innovationen schafft. Die Plattform hat den Vorteil,
weit über die Möglichkeiten von herkömmlichen Programmen hinauszugehen und unterstützt
Unternehmen dabei, sich den neuen Reporting-Standards anzupassen.“

Richtlinie noch nicht österreichisches Recht

Ingerisch merkt jedoch an, dass die CSRD-Richtlinie bisher noch nicht in österreichisches
Recht umgesetzt wurde, weshalb in vielen Management-Etagen gezögert werde, sich
technisch auf die neuen Standards vorzubereiten. Trotz dieser Herausforderung betont er,
dass Envizi neben dem Fokus auf Reporting auch einen Mehrwert für Unternehmen bietet.
„Durch verschiedene Module, wie beispielsweise die Szenarienanalyse, ermöglicht unsere
Lösung einerseits die Verbesserung der Nachhaltigkeit aufgrund verschiedener
Managementhandlungen und bietet andererseits die Möglichkeit, die eigenen Handlungen im
Sinne von Kosteneinsparungen zu bewerten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, über den
reinen Reporting-Aspekt hinauszudenken und die Vorteile der Plattform für das gesamte
Unternehmen zu nutzen.“

Einheitliche Plattform wäre wichtig

Einblicke in die Praxis gewährte der Leiter der Nachhaltigkeitsberichterstattung der APA und
Vorstandsreferent, Bernhard Sonntag: Vom oft mühsamen Ausfüllen von Fragebögen bis
zur Schwierigkeit, dem Thema „Management-Attention“ zu verleihen, gäbe es durchaus auch
praktische Vorteile wie zum Beispiel, dass man die CO 2 -Bilanz einzelner Produkte errechnen
könne oder auch eine bessere Basis für Förderanträge und Ausschreibungen zur Verfügung
habe. Zur Vereinfachung des alljährlichen „Datensammelns“ wünscht er sich die baldige
Realisierung einer einheitlichen EU-Online-Plattform für die Einmeldung der Daten, den
sogenannten European Single Access Point (ESAP).

Die in der Geschäftsleitung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung Verantwortliche sowie
CFO der APA, Doris Pokorny, ergänzte, dass nach ihrer Erfahrung von Unternehmen
manchmal der Fehler gemacht werde, eine zu große Anzahl von reportingpflichtigen Themen
zu identifizieren: „Die Beschränkung dieser wesentlichen Themen sowie Datenpunkte und
KPIs auf eine überschaubare Anzahl ist entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung.
Es geht bei diesem Reporting zwar um die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen und KPIs,
aber Maßnahmen zur Prozessverbesserung müssen nicht unmittelbar
ergriffen werden“, stellt sie klar, dass auch bei CSRD nichts so heiß gegessen wie gekocht
wird.

Chancen für Unternehmen

Trotz der Herausforderungen bietet die CSRD eine Reihe von Chancen für Unternehmen:
Durch die Erfüllung der CSRD-Anforderungen können Unternehmen ihr Image verbessern
und die Attraktivität für Investoren, Kunden und Mitarbeiter steigern. Die CSRD hilft zudem,
Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und zu managen, und fördert die Auseinandersetzung
mit Nachhaltigkeitsaspekten, was zu Innovationen führen kann. Um die Herausforderungen
der CSRD zu bewältigen, sollten Unternehmen frühzeitig mit der Umsetzung beginnen und sich bei Bedarf professionelle Unterstützung holen. „Jene, die Herausforderungen von der
Pflicht zur Kür machen, gewinnen auch im Business“, ist Isabella Mader, Vorstand von
Excellence Research sowie IFWK-Vizepräsidentin, überzeugt. Sie zitierte unter anderem aus
ihrem neuesten Buch „Digitalisierung & KI strategisch einsetzen“ über ein Dutzend
Compliance-Regularien, die von EU-Unternehmen berücksichtigt werden müssen.

Diskussion rund um Kreislaufwirtschaft

Im Rahmen der Diskussion, die von Gabriela Straka, Vorstandsmitglied bei RespACT,
moderiert wurde, kam zum Ausdruck, dass die Entwicklung einer CSR-Strategie eine
Grundlage für effektive Kommunikation bildet. Unternehmen sollten messbare Ziele und
Kennzahlen für ihre Nachhaltigkeitsleistungen festlegen und regelmäßig über ihre
Fortschritte bei der Erreichung ihrer CSR-Ziele auch größer berichten. Der Dialog mit
Stakeholdern sei dabei essenziell, ebenso wie die Nutzung geeigneter
Kommunikationskanäle, um die Nachhaltigkeitsleistungen der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Gäste aus Wirtschaft und Wissenschaft

Zu weiteren Fragen wie Kreislaufwirtschaft oder branchenspezifischen Benchmarks
diskutierten unter anderem aus dem IFWK-Vorstand: ESG-Expertin Waltraud Kaserer sowie
Amberon-Geschäftsführer Klaus Schmid; aus der Wirtschaft: NTT Austria CEO Roman
Oberauer, der Kommunikationsverantwortliche von DS Smith, Hagen Burkert, Verena
Treiber von Mediamarkt, Georg Lemmerer von Schelhammer Capital, Martina Kukulka
von Austrian Power Grid (APG), Ludwig Steinbauer, PORR, ÖGNI-Geschäftsführer Peter
Engert sowie Ferdinand Schütz und Stefan Neubauer von der Kathrein Privatbank.
Aus dem Bereich der Wissenschaften konnte IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer unter
anderem begrüßen: Victoria Kaiselgruber, Professorin an der FH Hagenberg, sowie die
Autoren des neuen Buches „Strategisches Management der Nachhaltigkeit“ (Springer),
Professor Josef Herget und Robert Bodenstein, Präsident der internationalen Consulting-
Organisation ICMCI.

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