Der Spaß ist vorbei: Hoffnung ist keine Strategie

Dr. Benedikt Franke. Foto: MSC/Kuhlmann
Dr. Benedikt Franke. Foto: MSC/Kuhlmann

Mahnende Worte von Benedikt Franke, stellvertretender Vorsitzender und CEO der Münchner
Sicherheitskonferenz, bei den diesjährigen Starnberger See Gesprächen.

„Der Spaß ist vorbei.“, eröffnete Benedikt Franke seinen Vortrag bei den Starnberger See Gesprächen –
und lächelte trocken. Er wolle Klartext sprechen — aber deshalb nicht sofort die Stimmung dämpfen,
sondern eine Ermutigung aussprechen. Was folgte, war ein Weckruf: Nicht die künstliche Intelligenz wäre
das primäre Problem, sondern unsere politisch-strategische Trägheit, unsere Selbsttäuschungen und die
Abhängigkeiten, die wir über Jahrzehnte aufgebaut haben. Nun wäre es an der Zeit, das zu korrigieren.

Franke erklärte weiter: Europa wisse sehr genau, was zu tun sei. „Wir kommen aber nur langsam voran.“
Aus dieser Langsamkeit erwachsen strategische Schwachstellen, sagt er — und diese werden gezielt
ausgenutzt. Seine Diagnose ist klar, seine Sprache ungewohnt direkt: Hoffnung ist eine miserable
Strategie.

Hoffnung allein ist keine Strategie, und moralische Entrüstung ersetzt keine Sicherheitspolitik.
Benedikt Franke

Fünf Aufgabenfelder (und Baustellen), in denen Europa handeln muss

Franke skizzierte fünf konkrete Handlungsfelder — keine abstrakten Prinzipien, sondern praktische Baustellen, an denen sich der Kurs Europas messen lassen muss.

  • Strategische Autonomie
    Deutschland und Europa müssen auf eigene Füße kommen. Das Potenzial sei vorhanden, und es sei groß, so Franke; die politische Entschlossenheit fehle. Europa dürfe nicht dauerhaft auf außerregionale Lieferanten, Technologien oder Führungswillen hoffen. Die Abhängigkeiten — ökonomisch wie technologisch — sind nach seiner Darstellung keine bloßen Versorgungsfragen, sondern geopolitische Schwachstellen.

  • Reduktion von Klumpenrisiken und Aufbau alternativer Lieferketten
    Als eindrückliches Beispiel für geopolitische Abhängigkeiten verwies er auf die Konzentration seltener Erden: „China hält aktuell 90+ Prozent“, so Franke — eine Machtkonzentration, die als strategischer Hebel genutzt werden kann. Das zugrunde liegende Dilemma lässt sich mit einem Zitat des Militärstrategen Sun Tzu beschreiben: “Wenn du den Feind in diesem Tal nicht besiegst, versuch ein anderes Tal.” Europa brauche Diversifizierung — durch neue Partnerschaften, alternative Märkte, zusätzliche Bezugsquellen.

  • Partnerschaften statt paternalistischer Belehrung
    Der globale Süden fühle sich oft vor den Kopf gestoßen: „Wir dürfen die Länder, die früher benachteiligt wurden, nicht weiter übergehen.“ Franke warnte vor Doppelmoral und forderte echte Partnerschaften. Verteidigung bestehe nicht nur aus Waffen und Drohnen; wirtschaftliche, soziale und diplomatische Verflechtungen sind Teil moderner Sicherheitsarchitektur.

  • Stärkung des Multilaterismus — die UN stärken und entpolitisieren
    Die internationale Ordnung sei zunehmend politisiert und damit blockiert. Es könne nicht sein, dass bei einem Treffen von 5 Ländern, drei nicht miteinander sprechen. Franke erinnerte daran, dass abseits der Vereinten Nationen viele wichtige Entscheidungen heute in alternativen Foren getroffen werden. Die UN müsse wieder handlungsfähig werden – und dazu müssen wir sie entpolitisieren, also: wieder in Verhandlungen eintreten.

  • Wirklich zuhören — Absichten anderer Player ernst nehmen und antizipieren
    „Wir machen immer wieder den Fehler, dass wir Leuten nicht zuhören, wenn sie uns sagen, was sie machen werden.“ Das gelte für Russland, für China, für andere Akteure. Aussagen wie Putins öffentliche Positionen oder Xis Ambitionen gegenüber Taiwan dürften nicht als Rhetorik abgetan werden, sondern sollten inhaltlich ernstgenommen und in Strategien übersetzt werden.
Von imperialen Kalkülen und dem nächsten Krieg

Franke zeichnete ein Bild, in dem alte Machtansprüche und neue Geostrategen die Spielregeln verändern. Tendenzen würden darauf hindeuten, dass Akteure sich nicht nur auf Verteidigungsbereitschaft einstellen, sondern auf die Absicht, Macht durchzusetzen — mit Mitteln, die nicht immer konventionell sein werden. „Sie kennen das Zitat: Man bereitet sich immer auf den letzten Krieg vor. Wir sollten uns aber auf den nächsten/übernächsten vorbereiten — und der wird vielleicht nicht nur mit Drohnen geführt.“

Die Warnung war konkret: Russlands Haltung, seine militärischen und politischen Möglichkeiten sowie
die Frage, ob Europa und seine Verbündeten den nötigen politischen Druck aufbauen können, um den
Krieg zu stoppen, standen im Mittelpunkt. Franke verwies auf Stimmen, die bereits für das Jahr 2029 eine
zunehmende Entschlossenheit Russlands prognostizieren. Er appellierte daran, mit strategischer
Weitsicht und Standhaftigkeit zu reagieren – statt in Panikreaktionen zu verfallen.

Kein Verstecken hinter Werten — Pouvoir für schwierige Entscheidungen

Ein wiederkehrendes Thema in Frankes Vortrag: Werte sind wichtig — aber nicht als Deckmantel für
Handlungsunwillige Politik. Europa müsse handlungsfähig werden und bereit sein, Macht zu nutzen, um
schwierige, aber notwendige Entscheidungen zu treffen. Dazu gehöre auch, alte Gewohnheiten zu
überwinden: „Wir wissen oft, was zu tun ist — wir tun es nur nicht schnell genug.“

Fazit: Realismus statt Illusionen

Am Ende war Frankes Appell einfach und scharf: Die Zeit des Zögerns ist vorbei — wer sich in
geopolitischen Fragen engagiert, muss Verantwortung übernehmen und die damit verbundenen
Herausforderungen ernst nehmen. Europa hat Ressourcen und Potenzial, doch es braucht klare
Prioritäten, strategische Autonomie, Diversifizierung und echte Partnerschaften. Politische Rhetorik allein
reicht nicht aus; gefragt sind konkrete, und oft schwierige Entscheidungen.

Sein Schlusswort blieb dem Ton seines Vortrags treu: direkt, ein wenig provokant – und mit dem Ziel,
wachzurütteln. „Hoffnung ist keine Strategie.“ Wer Europa ernst nimmt, muss jetzt handeln — bevor
andere die Lücken füllen, die wir zu lange offengelassen haben.


Die nächsten Starnberger See Gespräche finden am 17.9.2026 statt:
https://steinbeis-ifem.de/starnberger-see-gespraeche-2/

Upcoming events