Beim diesjährigen Jahresempfang des Verbands der Bahnindustrie trafen sich rund 100 Gäste aus der Branche und diskutierten gemeinsam mit der Sektionschefin der Sektion „Verkehr“ (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) Vera Hofbauer, dem ÖBB-Vorstandsvorsitzenden Andreas Matthä und dem VBI-Präsidenten Hannes Boyer die aktuell „heißesten“ Themen der Bahnindustrie, allen voran den akuten Fachkräftemangel und den wichtigen Beitrag dieser zukunftsträchtigen Branche zum Klimaschutz.
Die österreichische Bahnindustrie ist im internationalen Vergleich überproportional stark und innovativ aufgestellt. Die in Österreich aktiven Unternehmen sind in zahlreichen Bereichen Markt- und Technologieführer und liefern ihre Produkte weltweit. Nicht nur durch die in den nächsten Jahren zu erwartenden höheren Investitionen in das System Bahn ist die Bahnindustrie eine der Zukunftsbranchen des Landes. Ihr gelingt es durch moderne Fertigungstechniken, eine geeignete Materialauswahl und intelligente Steuerungstechnik, den Energieverbrauch und somit die Kosten pro Sitzplatz oder transportierten Gütereinheiten erheblich zu reduzieren.
Ein entscheidender Faktor für diese herausragende Stellung der gesamten Branche sind gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die immer schwerer zu finden sind. Dazu VBI-Präsident Hannes Boyer: „Wir benötigen eine breite Palette an unterschiedlichen Berufsbildern, wodurch sich praktisch jeder, entsprechend seiner individuellen Qualifikation, einen passenden und vor allem zukunftssicheren und auch nachhaltigen Job finden kann. Gerade für junge Leute, die einen sinnvollen Beitrag für die Erreichung der Klimaschutzziele leisten wollen, stellt die Bahnindustrie die geeignete Wahl für ihre Karrierelaufbahn dar.“ Dringend gesucht werden nicht nur Ingenieure und IT-Fachleute aus dem tertiären Bildungssektor, sondern – so das Ergebnis einer verbandsinternen Umfrage – auch Lehrlinge, TU- und FH-AbsolventInnen.
Auf die Frage, wo denn der Schuh am meisten drücke, antwortete VBI-Geschäftsführerin Angela Berger: „Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher und schaffen damit neue Arbeitsplätze – diese zu besetzen gelingt zwar noch, dauert aber immer länger.“
Bahnindustrie setzt auf Innovation
Die Bahnindustrie sei eine sehr innovative Branche, die aber in der aktuellen Situation des österreichweiten Fachkräftemangels in starker Konkurrenz mit anderen Branchen stünde, die bekannter oder vordergründig attraktiver erscheinen, ist VBI Präsident Boyer überzeugt. „Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam dieses Imagemanko zu beheben.“ Die Branche sei schließlich zukunftssicher, klimaschonend und international – alles Attribute, die junge Talente ansprechen. Im Verband der Bahnindustrie setzt man hier schon seit geraumer Zeit auf die Erweiterung des heimischen spezifischen Ausbildungsangebots und die Kooperation mit Hochschulen und anderen Bildungseinheiten.
„Auch bei den ÖBB ist der Bedarf an Fachkräften enorm. Aktuell sind 670 Stellen offen, und in den nächsten Jahren werden jährlich ca. 2.700 neue Jobs ausgeschrieben. Dabei werden 130 verschiedene Berufsbilder abgedeckt und Talente extern sowie intern gesucht.“, ergänzt Sabine Stock, Vorständin der ÖBB-Personenverkehr AG.
Wie in vielen anderen technischen Branchen sind Frauen in der Bahnindustrie noch immer unterrepräsentiert, obwohl hier ein Fachkräftepool schlummert. Um als Branche diese Expertinnen attraktiver zu werden, ist es wesentlich, bereits in der Bahnindustrie erfolgreiche Frauen vor den Vorhang zu holen, zu vernetzen und als „Role Models“ zu etablieren, berichtet Sigrid Lumetsberger, Projektdirektorin bei ALSTOM Österreich, über den Kern ihrer Tätigkeit der von ihr mitgegründeten Agenda Bahnindustrie Frauen.
Global Player Bahnindustrie
„Die Bahnindustrie ist eine Siegerbranche“, so Andreas Matthä in seiner Keynote und lobte die Zusammenarbeit von ÖBB und heimischer Bahnindustrie als Vorbild für gegenseitige Unterstützung. Dies sei auch ein Grund für den Erfolg der hochinnovativen Branche in Österreich, aber auch weltweit. Die Klimakrise sieht er als Chance, mit der Bahn als klimafreundlichsten Verkehrsträger zu punkten. Der starke Anstieg im Fernverkehr zeige, so Matthä, dass auch beim Konsumenten ein Umdenken stattfindet. Wichtig sei daher, die Leistungsfähigkeit der Bahn weiter auszubauen und die Modernisierung der Infrastruktur und Digitalisierung in der Industrie weiter voranzutreiben.
Der Ausbau der Schieneninfrastruktur bildet das Rückgrat im Kampf gegen den Klimawandel und kann gleichzeitig zu einer Chance für Europas Industrie werden. Dies gilt besonders für die sehr innovative und exportorientierte österreichische Bahnindustrie, welche praktisch alles für das System Bahn im Lande selbst produzieren kann. Die Beschaffung jeglicher Bahninfrastruktur benötige eine langfristige Planung, auch bei den produzierenden Unternehmen, um so die Lieferfähigkeit seitens der österreichischen Unternehmen sicherzustellen und die Wertschöpfung möglichst im Lande zu halten.
„Die österreichische Bahnindustrie produziert nach hohen Umweltstandards und setzt vermehrt auf die Nutzung von sauberer Energie auch in der Produktion. Ich bin fest davon überzeugt, dass der CO2-Footprint auch in unserer Branche bereits in naher Zukunft eine Erfolgsgröße wie Umsatz und Gewinn darstellen wird,“ ergänzt Hannes Boyer.
Starker Fokus auf Klimaschutz
Die Klimakrise wird immer mehr zur Energiekrise. „Daher“, so Matthä „muss der Eigenenergie-Erzeugungsgrad weiterhin erhöht werden, denn mit steigendem Verkehr wird auch mehr Energie benötig. Diese wollen wir vor allem aus Wasserkraft, Photovoltaik und Wind gewinnen.“
In dieselbe Kerbe schlug auch Vera Hofbauer, die den Mobilitätsmasterplan der Bundesregierung als Karte und Kompass für Österreichs Weg in die Zukunft bezeichnete und gleichzeitig das Klimaticket als einen ersten großen Schritt bzw. als Booster für den Klimaschutz nannte.
Einigkeit herrschte am Podium über die immer stärker werdende Rolle von Klimaschutz und Mobilitätswende für die Gesellschaft allgemein, aber auch für die Industrie, die letztlich dazu führt, verstärkt Investitionen in die heimische Bahn zu tätigen. Schließlich ist sie das umweltfreundlichste Massentransportmittel und punktet in Zeiten einer Energiekrise als effizientes Verkehrsmittel. Bei diesen Entwicklungen ist die Bahnindustrie nicht nur mit dabei, sie liefert die nötige Technologie und Innovation, um den Umstieg auf die Schiene erst zu ermöglichen. (pi)