Die demografische Alterung wirkt sich auf Unternehmen aus, da die Zahl nachfolgebereiter Inhaber steigt, während potenzielle Übernehmer abnehmen. Der Rückgang der Existenzgründungen ist insbesondere bei älteren Personen spürbar. Eine höhere Sichtbarkeit von erfolgreichen Beispielen und verbesserte Informationen zur Finanzierung könnten gegensteuern. Die Möglichkeit von Übernahmen oder tätigen Beteiligungen sollte als Alternative zur Neugründung gefördert werden, um den Herausforderungen durch den Alterswandel im Unternehmertum entgegenzuwirken.
Die demografische Alterung setzt Unternehmen bei Nachfolgen gleich doppelt unter Druck: Auf der einen Seite steigt die Zahl an nachfolgebereiten Inhaber, während parallel auf der anderen Seite die Zahl an potenziellen Übernehmern sinkt. Eine höhere Sichtbarkeit von Positivbeispielen sowie eine bessere Informationsbereitstellung zu Finanzierungsmöglichkeiten sind Ansatzpunkte zum Gegensteuern.
Ältere haben eine geringe Gründungsneigung
Die Zahl der Existenzgründungen ist seit Anfang der Nullerjahre bis zum Jahr 2017 deutlich zurückgegangen. Seither schwankt sie auf dem erreichten niedrigen Niveau. Die demografische Alterung hält die Gründungstätigkeit auch weiter unter Druck. Denn Ältere haben typischerweise eine geringere Gründungsneigung. Der Rückgang der Gründungstätigkeit war bei verschiedenen Arten von Existenzgründungen unterschiedlich stark. Die meisten Existenzgründungen sind Neugründungen. Es werden dabei also rechtlich wie organisatorisch neue Unternehmen gegründet. Im Unterschied dazu bauen sogenannte derivative Existenzgründungen auf bereits bestehenden Unternehmen auf. Gründerinnen und Gründer übernehmen diese oder beteiligen sich an diesen sowohl finanziell als auch im Geschäftsbetrieb.
Derivative Existenzgründungen sind seit jeher seltener. Ihr Anteil hat sich in den letzten 20 Jahren allerdings nochmals halbiert: von 30 auf 14 Prozent der jährlichen Existenzgründungen. Der Rückgang der Gründungstätigkeit war somit bei den derivativen Gründungen überdurchschnittlich stark.
Übernahmen bei jüngeren Gründern häufiger
Die Entscheidung über den Weg einer Existenzgründung ist offenbar auch eine Altersfrage. Übernahmen oder tätige Beteiligungen sind bei jüngeren Gründer häufiger als bei Älteren. Im Jahr 2022 waren es bei den unter 30- Jährigen mit 20 Prozent deutlich mehr als bei Älteren mit 10 bis 12 Prozent. Bei den Gründungsplanungen zeigt sich ein ähnliches Bild. Gut ein Fünftel (21 Prozent) der geplanten Existenzgründungen soll auf dem Weg einer Übernahme oder tätigen Beteiligung realisiert werden. Bei Gründungsplanern unter 30 Jahren mit knapp einem Viertel (24 Prozent) dabei etwas häufiger als bei Älteren mit 19 bis 21 Prozent.
Acht von zehn Gründungsplanungen sind als Neugründungen angedacht. Nur bei einem Viertel davon (24 Prozent) wurde eine Übernahme oder tätige Beteiligung überhaupt in Erwägung gezogen. Auch wurde die Option bei Jüngeren unter 30 Jahren deutlich häufiger durchdacht (30 Prozent) als bei Älteren (unter 40 Jahre 24 Prozent, unter 65 Jahre 18 bis 19 Prozent).
Gefallene Zahl derivativer Gründungen ist ein strukturelles Problem
Für den von Nachfolgesorgen geplagten Mittelstand ist die stark gefallene Zahl derivativer Gründungen ein strukturelles Problem. Es sollte daher dringend angegangen werden, um eine Erosion des Mittelstands zu vermeiden. Eine nähere Betrachtung der Gründungsplaner die eine Neugründung realisieren wollen, bringt mehr Licht ins Dunkel, warum Übernahmen oder tätige Beteiligungen von ihnen entweder nicht in Betracht gezogen oder verworfen wurden.
Übernahme scheitert oft an einem zu hohen Kaufpreis
Ein Viertel der werdenden Neugründer 2022 hat eine Übernahme oder tätige Beteiligung in Betracht gezogen. Bei 29 Prozent davon blieb die Suche nach einem interessanten Unternehmen erfolglos. Die anderen 71 Prozent haben zwar jeweils ein für sie interessantes Unternehmen gefunden, die Übernahme scheiterte aber an anderen Gründen, zuvorderst an einem zu hohen Kaufpreis. Weitere Gründe sind: zu viel Bürokratie, erfolglose Detailprüfungen, fehlende Finanzierung und zu komplexe Verhandlungen.
Von vielen wird eine Übernahme nicht in Betracht gezogen
Drei Viertel der werdenden Neugründer haben eine Übernahme oder tätige Beteiligung erst gar nicht in Betracht gezogen. Dies liegt aber nur zu einem geringen Teil daran, dass nicht an diesen Weg der Existenzgründung gedacht wurde (18 Prozent). Der überwiegende Teil (82 Prozent) will sich entweder nicht von vorhandenen Strukturen abhängig machen oder meint, dass eine Übernahme oder tätige Beteiligung nicht zu ihrem Gründungsmotiv passt. Weitere Gründe sind: Sorgen, sich das finanziell nicht leisten zu können, und fehlendes Selbstvertrauen.
Nachfolgebedarf wird durch demografische Alterung immer höher
Die Alterung der Bevölkerung macht auch vor Unternehmen nicht halt. Nur noch zehn von 100 Inhaber sind unter 40 Jahre alt. Der Nachfolgebedarf wird also immer größer. Gleichzeitig senkt die Alterung den Pool an potenziellen Nachfolgern überdurchschnittlich stark. Sie reduziert erstens die Zahl der Erwerbsfähigen, zweitens verschiebt diese immer mehr in Altersbereiche mit geringerer Gründungsneigung und ggf. mit einer stärkeren Präferenz für Neugründungen. Die demografische Alterung setzt Unternehmen bei Nachfolgen also gleich doppelt unter Druck: durch eine steigende Zahl an nachfolgebereiten Inhaber, bei einer sinkenden Zahl an potenziellen Übernehmern.
Bessere Sichtbarkeit von Positivbeispielen relevant
Ein Ansatzpunkt zum Gegensteuern ist es, Übernahmen und tätige Beteiligungen bei Gründungsinteressierten als selbstverständliche Alternative für Neugründungen zu etablieren. Werdende Neugründer entscheiden sich am häufigsten gegen eine Übernahme oder tätige Beteiligung aufgrund von Vorbehalten gegenüber vorhandenen Strukturen sowie weil dieser Weg in die Selbstständigkeit nicht zu ihrem Gründungsmotiv passt. Eine bessere Sichtbarkeit von Positivbeispielen, bei denen es gelungen ist durch strukturelle oder strategische Anpassungen Übernahmen erfolgreich zu gestalten, könnte das ändern. Sie könnte die Befürchtung vor scheinbar unveränderbaren Gegebenheiten nehmen und generell derivative Gründungen ins Bewusstsein holen. Auch eine bessere Informationsbereitstellung zu Finanzierungsmöglichkeiten für Übernahmen könnte sich positiv auswirken.
Zukunftsfähigkeit leidet angesichts der geringen Gründungstätigkeit
Angesichts der geringen Gründungstätigkeit in Deutschland sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um Gründungspotenziale zu heben. Denn der Rückgang ist volkswirtschaftlich gesehen keine gute Nachricht. Ohne Gründer – egal ob Solo oder Start-up – leidet die Zukunftsfähigkeit: Eigenverantwortung und Selbstinitiative nimmt ab, Strukturen verkrusten, weil der Anpassungsdruck abnimmt, flexible Expertise steht weniger zur Verfügung, Nachwuchs für anstehende Nachfolgen fehlt.
(pi)