Der Ukraine-Krieg hat bekanntlich weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft. Am 24.2.2022 traten erste Sanktionen in Kraft, deren wirtschaftliche Auswirkungen in Jahres- und Konzernabschlüssen entsprechend zu berücksichtigen sind. Ob auch Ihr Unternehmen betroffen sein könnte, lesen Sie hier.
„Der russische Angriffskrieg in der Ukraine betrifft uns hierzulande nicht nur im Sinne des Schocks, dass in Europa wieder Krieg herrscht und viele Menschen Zuflucht bei uns suchen müssen. Er muss in vielen Fällen auch Eingang in die Bilanzen österreichischer Firmen finden, selbst wenn diese vor Kriegsausbruch keine direkten Geschäftsbeziehungen mit Russland unterhielten“, berichtet Bilanzrechtsexperte Dr. Karl Stückler.
Auswirkungen auf Abschlüsse mit Stichtag bis zum 23.2.2022
Für Unternehmen mit Abschlussstichtagen bis zum 23.2.2022 stellt der Ukraine-Krieg ein wertbegründendes Ereignis dar, das sich grundsätzlich nicht im Zahlenwerk des Abschlusses widerspiegelt, es sei denn, die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ist gefährdet.
Obwohl der Ukraine-Krieg als wertbegründendes Ereignis keinen direkten Einfluss auf den Bilanzgewinn hat, kann es im Sinne der Kapitalerhaltung zu einer Ausschüttungsbegrenzung kommen. Als wesentliches Ereignis nach dem Abschlussstichtag ergeben sich zusätzlich Berichtspflichten für den Anhang und Lagebericht.
Auswirkungen auf Abschlüsse mit Stichtag nach dem 23.2.2022
Für Unternehmen mit Abschlussstichtagen nach dem 23.2.2022 stellt der Ukraine-Krieg ein wertaufhellendes Ereignis dar, das im Zahlenwerk des Abschlusses zu berücksichtigen ist. Neben einer neuerlichen Überprüfung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens kann eine Durchbrechung des Stetigkeitsgrundsatzes für Ansatz und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden erforderlich sein.
In der Praxis beobachten wir aktivseitig vor allem einen Bedarf von außerplanmäßigen Abschreibungen, weil z.B. Finanzanlage- und Finanzumlaufvermögen an Wert verloren hat oder Forderungen nicht länger werthaltig sind. Passivseitig ist insbesondere mit einem erhöhten Rückstellungsbedarf zu rechnen, weil bspw. Verluste aus schwebenden Absatz- oder Beschaffungsgeschäften drohen oder aber Unternehmen beabsichtigen, sich aus diesen Ländern zurückzuziehen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat zudem zu einem massiven Absturz des russischen (RUB) und belarussischen (BYN) Rubels sowie der ukrainischen Währung (UAH) geführt. Diese Kursschwankungen fremder Währungen wirken sich zusätzlich auf die Bewertung von Aktiva und Passiva aus und es ist damit zu rechnen, dass vermehrt Fremdwährungsverluste realisiert werden.
Auswirkungen auf Konzernabschlüsse
Unternehmen im Konzerngeflecht haben zusätzlich zu den bereits genannten Auswirkungen die spezifischen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den noch nicht aufgestellten Konzernabschluss zu beachten.
Österreichische Mutterunternehmen eines Teilkonzerns, die in einen übergeordneten Konzernabschluss einbezogen werden, sind von der Pflicht zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses befreit. Wenn die ausländische Konzernmutter kriegsbedingt keinen befreienden Konzernabschluss aufstellt, hat das österreichische Mutterunternehmen zu prüfen, ob ein Teilkonzernabschluss aufzustellen, zu prüfen und offenzulegen ist.
Österreichische Mutterunternehmen müssen Tochterunternehmen ausnahmsweise nicht mittels Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbeziehen, wenn die erforderlichen Informationen nur mit unverhältnismäßigen Verzögerungen oder hohen Kosten erhalten werden können.
Der Ukraine-Krieg kann schließlich auch die Kontroll- oder Zugriffsrechte auf ein Tochterunternehmen einschränken oder aufheben. In diesen Fällen ist im Einzelfall und unter Berücksichtigung von Eingriffen in Geschäftsführungsentscheidungen sowie Einschränkungen durch Regulatoren zu beurteilen, ob das betroffene Unternehmen weiterhin als Tochterunternehmen zu sehen ist.
„Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs können sich vielschichtig auf die Berichterstattungspflichten von Unternehmen auswirken. Wir raten allen Unternehmer:innen, sich mit den Auswirkungen auf die Rechnungslegung rechtzeitig auseinanderzusetzen“, so Dr. Karl Stückler. (pi)