Der Rückgang der Verkaufsflächen setzt sich fort, angetrieben durch die Auswirkungen der Pandemie, steigende Inflation und die anhaltende Immobilienkrise. Trotz einer leichten Reduzierung der Leerstandsquote haben Teuerung und steigende Kreditkosten die Lage weiter verschärft. Dies hat zu einer verstärkten Nachfrage nach unternehmerfreundlichen Rahmenbedingungen und einer Strategie zur Bewältigung der Inflation geführt.
Seit 2013 erfasst Standort + Markt in den 20 größten Städten Österreichs sämtliche Shopflächen und verfügt damit über ein unabhängiges Monitoring zum Zustand und den Veränderungen der österreichischen Ballungszentren. Der jährliche “S+M City Retail Health Check” geht mittlerweile in seine elfte Runde und wird traditionell gemeinsam mit dem Handelsverband präsentiert. Durch die Analyse von 24 Geschäftsbereichen (Einkaufsstraßen) plus 16 ausgewählten Kleinstädten mit insgesamt 13.300 Shops auf einer Fläche von rund 2 Mio. Quadratmetern liegt eine sehr hohe Transparenz zum Shopflächengeschehen in Österreich vor.
Rückgang von 9.000m2 Shopfläche
Die rückläufige Entwicklung der Handelsflächen seit 2018 ist ein Beleg unserer veränderten Konsumgewohnheiten. Zuerst die Pandemie, später die hohe Inflation und die daraus resultierende Immobilienkrise haben den Strukturwandel befeuert, der die heimischen Stadt- und Ortsbilder unverkennbar trifft.
“Der Trend des Shopflächenrückgangs setzt sich das sechste Jahr in Folge fort. Auch 2023 gab es keine Wende, in den wichtigsten Einkaufsstraßen haben wir im Handel erneut rund 9.000m2 verloren. Dabei sind 90 Prozent der Ortskerne und Peripherien in den ländlichen Regionen noch gar nicht berücksichtigt, wo sich das tatsächliche Ausmaß aufgrund langer Laufzeiten bei Miet- und Pachtverträgen erst noch zeigen wird”, fasst Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will zusammen.
“Positiv ist, dass auch die Leerstandsquote in den 40 untersuchten Innenstädten des Landes von 6,8% auf 6,7% minimal zurückgegangen ist. Das liegt aber vor allem daran, dass viele Geschäftslokale nach einem Leerstand nun in einer Umbauphase stecken, die oftmals weg vom Retail und hin zu anderen Nutzungen führt, etwa Arztpraxen oder Friseursalons. Der Leerstand geht also leicht zurück, aber die Flächen gehen weg vom Handel”, so Will.
Modehandel besonders betroffen
Allein im Modehandel ist die Verkaufsfläche in den heimischen Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern im letzten Jahrzehnt um 17,8 Prozent eingebrochen. Fashion nimmt zwar in den Innenstädten noch immer fast die Hälfte der gesamten Einzelhandelsflächen ein, hat aber seit 2014 deutlich an den internationalen Onlinehandel verloren. “Ursächlich dafür ist sowohl die Teuerungskrise, aber auch ausbleibende Reformen und die lähmende Bürokratie, die den stationären Handel in Österreich stärker belastet als in allen anderen EU-Ländern”, sagt Branchensprecher Rainer Will.
Durch die hohe Inflation hat sich nochmals ein Multiplikator der Aufwände gebildet. Manche Nahversorger und Kleinhändler sind zwar am Papier in Betrieb, allerdings drückt die Kostenbelastung die geöffnete Tür zu. Hoffnungsschimmer ist die Stimmungslage der Händler für 2024, die zumindest auf leichten Optimismus schließen lässt.
Wien Landstraße und Dornbirn den höchsten Zuwachs
Mittlerweile finden sich nur mehr acht Einkaufsstraßen, die eine positive Shopflächenentwicklung aufweisen. Der Flächenverlust war 2020 und 2021 deutlich spürbarer als in den Jahren zuvor, hat sich aber seit 2022 zumindest eingebremst.
Am meisten Zuwachs in den letzten zehn Jahren verzeichnete die Wiener Landstraße mit 6,5 Prozent, dicht gefolgt von Dornbirn mit 5,9 Prozent. An dritter Stelle mit dem höchsten Zuwachs liegt die Wiener Innenstadt mit 2,7 Prozent, gefolgt von Amtsketten mit 2 Prozent und Leoben mit 1,4 Prozent Zuwachs.
Schließung von Leiner führte zu Rückgängen der Verkaufsfläche
Den höchsten Verlust der Shoppingfläche in den letzten zehn Jahren mit 28,1 Prozent hat St.Pölten sowie Wiener Neustadt (20,9 Prozent). Steyr hat einen Verlust von 17,3 Prozent, Krems 14,8 Prozent und Villach 10,7 Prozent. Manche Städte, wie etwa St. Pölten, verzeichneten durch die Schließung von Leiner starke Verkaufsflächenrückgänge, in anderen Städten war es der massive Verkaufsflächenüberhang an der Peripherie, der zu diesen Schrumpfungsprozessen führte. Hier wurden zwischenzeitlich bereits einige Flächen vom Einzelhandels-Markt genommen und anderen Nutzungen zugeführt (z.B. Büros, Arztpraxen, Hotels, Lagerflächen etc).
“In Anbetracht der Veränderung des Branchenmixes in den heimischen Primär- und Sekundärstädten wird deutlich, dass das Kurzfristbedarfsangebot – also der Lebensmittelhandel – in den letzten drei Jahren deutlich auf beinahe 12 Prozent erstarkt ist. 2023 haben wir aber einen leichten Rückgang verzeichnet, der Peak dürfte somit bereits überschritten worden sein”, erklärt Standort+Markt-Geschäftsführer Hannes Lindner. “Die Bekleidungsbranche hingegen hat kontinuierlich deutliche Verluste hinnehmen müssen. Im letzten Jahrzehnt ist die Verkaufsfläche mit minus 100.000m² regelrecht erodiert.”
MaHÜ als weiterhin größte Einkaufsstraße
Das österreichische Verkaufsflächenranking wird weiterhin von der Mariahilfer Straße in Wien angeführt. Allerdings hat die größte Einkaufsstraße des Landes in den letzten zwei Jahren massiv an Verkaufsfläche verloren (-6 Prozent) und liegt nur noch knapp vor der Wiener City.
Leerstandsquote reduziert sich
Die Leerstandsquote – das sind leerstehende Flächen, die keine Umbauaktivitäten aufweisen – liegt in den 24 betrachteten Innenstadtbereichen der Primär- und Sekundärstädte mit 4,9 Prozent (Vorjahr: 5,3 Prozent) etwas höher als in Österreichs Shoppingcentern (4,6 Prozent; Vorjahr: 4,4 Prozent). In Toplage respektive A-Lage beträgt der Gesamtwert gute 4,2 Prozent und befindet sich sogar leicht unter der Quote der Einkaufszentren.
“Insgesamt hat sich – und das ist definitiv erstaunlich – die Leerstandsquote im Sample aller heimischen Citys, also Primär-, Sekundär- und Kleinstädte, seit 2021 von 7,4 Prozent auf 6,7 Prozent reduziert, in den A-Lagen kam es ebenso zu einer leichten Verbesserung. Der jahrelange Abwärtstrend mit steigenden Leerstandsquoten in der Gesamtbetrachtung hat sich also trotz multipler Krisen ins Gegenteil gedreht”, so Standort+Markt-Gesellschafter Roman Schwarzenecker.
“Allerdings verzeichnen wird seit einigen Jahren ein maßgebliches Wachstum bei Flächen im Umbau, die oftmals ehemalige Shopflächen beinhalten. Ob diese zukünftig tatsächlich einen Nutzer finden, bleibt offen. Unter dieser eher pessimistischen Vorahnung gibt es nun zwei Szenarien für die nahe Zukunft: Entweder es wird die Leerstandsquote wieder steigen, oder es reduzieren sich die Verkaufsflächen in den Citys abermals. Frei nach dem Motto ‚Zahnarzt statt Mode und Accessoires‘.“
Langsame Erholung in Salzburg und Wien
Traditionell liegen Salzburg, Innsbruck und die Wiener City – allesamt Tourismus-Hochburgen mit entsprechend hoher Passantenfrequenz – auf den vorderen Plätzen des Städtevergleiches. Aufgrund der Pandemie hat sich dieses Blatt in den letzten vier Jahren auf Kosten einiger städtischer Geschäftsbereiche gewendet. Insbesondere 2020 und 2021 sanken die Übernachtungszahlen im
Städtetourismus spürbar, was sich gravierend auf den innerstädtischen Handel niederschlug.
Während der Anstieg der Leerstandsquote in der Wiener City moderat vonstattenging (von 3,4 Prozent auf 4,5 Prozent), fiel dieser in Salzburg um fünf Prozentpunkte deutlich gravierender aus (von 1,6 Prozent auf 6,5 Prozent). Im jüngsten Beobachtungszeitraum hat sich die Lage für die Wiener City (-1,1 Prozentpunkte) und Salzburg (-0,5 Prozentpunkte) wieder etwas entspannt. Ob die niedrigen Leerstandsquoten vergangener Jahre schon bald wieder erreicht werden können, ist jedoch ungewiss.
Die Wiener Neustädter Innenstadt hat zwar mit 10,1 Prozent noch immer eine erhöhte Leerstandsquote, hat aber durch zahlreiche Initiativen der Stadt (z.B. Erneuerung der Fußgängerzonen, Marienmarkt) damit begonnen, sich der Leerstandsproblematik zu stellen. “So werden freie Flächen dem Handel entzogen und anderen Nutzungen oder Zwischennutzungen zugeführt. Impulse werden auch durch einzelne Immobilienprojekte erwartet. Leerstandsquoten von 20 Prozent und mehr weisen die Innenstädte von Bruck an der Mur, Horn, Liezen, St. Veit an der Glan, Bruck an der Leitha und Knittelfeld auf, welche allesamt Teil des Kleinstädte-Samples sind”, erklärt Roman Schwarzenecker.
Teuerung und Kreditkosten als Herausforderung
Fluktuationsraten von mehr als 15 Prozent in großen Citys wie Innsbruck und Klagenfurt bzw. von knapp 20 Prozent in der A-Lage von Eisenstadt sind bemerkenswerte statistische Ausrufezeichen, die eines illustrieren: Den Einzelhändlern, Dienstleistern und Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals. Geschäftsaufgaben stehen auf der Tagesordnung. Teuerung und massiv gestiegene Kreditkosten bei gleichzeitiger Kaufzurückhaltung sind Ingredienzien für eine gefährliche Entwicklung: Die Kräfte zahlreicher Shopbetreiber sind aufgezehrt, die Lustlosigkeit wächst.
Die Betrachtung der „harten“ Leerstandsquote allein genügt nicht. „Hart“ ist ein Leerstand, wenn bei einem leerstehenden Shop keinerlei Umbauarbeiten sichtbar sind. Kumuliert man den harten Leerstand der Primär- und Sekundärstädte (4,9 Prozent) mit in Umbau befindlichen Leerstehungen (3,9 Prozent), so liegen wir zwischenzeitlich bei 8,8 Prozent Gesamtleerstand. Nur 2021 lag dieser Wert mit 9 Prozent noch höher, das All-Time-High lauert also um die Ecke. Dies ist der erste Grund, wieso manches Citybild auch optisch von Leerstand geprägt ist.
Das ist aber nur eine Seite der Medaille, die andere Seite ist der Shopflächenrückgang. Der Grund, warum die Leerstandsquote seit 2020 nicht um 4,6 Prozent-Punkte höher liegt, ist den Liegenschaftseigentümern geschuldet: Diese haben nach länger andauerndem Leerstand offenkundig das Handtuch geworfen und bieten die ehemalige Shopfläche nicht mehr als solche an. Stattdessen haben sich im Vorjahr 41 Shops zu Büroflächen, 11 Shops zu sozialen Einrichtungen, 17 Shops zu Lagerstätten und 7 Shops zu Arztpraxen gewandelt. Ohne diese Flächentransformationen läge der Leerstandsanteil sogar bei 12,9 Prozent..
Unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen notwendig
“Unsere jüngste Befragung zeigt, dass der Handel trotz aller Bemühungen und Optimierungen weiter unter Druck bleibt. Mehr als ein Drittel der heimischen Händler erwarten heuer Umsatzverluste, nur ein Viertel rechnet mit einem positiven Jahresabschluss. Besonders der Mittelstand bräuchte dringend unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen”, bestätigt Rainer Will.
“Die Bewirtschaftung von Retail-Flächen wird immer weniger rentabel, wenn die Paketflut aus Drittstaaten weiter zulegt. Damit verlieren auch unsere Ortskernean Attraktivität. Wir fordern faire Spielregeln, an die sich alle halten müssen. Wenn europäische Händler nach europäischen Standards importieren und Zoll zahlen, dann muss das selbstverständlich auch für Fernost-Händler wie Shein oder Temugelten, sonst ist das unfair und der Wirtschaftsstandort nimmt schleichend Schaden”, so der bundesweite Sprecher des Handels.
Die Moral der Händler leidet auch wegen der zunehmenden Regulierungswut auf nationaler wie europäischer Ebene. Diese gefährdet den wirtschaftlichen Aufschwung. Der Handelsverband hat daher das Zukunftspapier “Österreich handelt” mit 50 konkreten Empfehlungen an die Politik vorgelegt. Im Fokus stehen dabei eine Händleroffensive sowie eine Anti-Inflations-Strategie.
(pi)