Finanzmarkt im Wandel: Rückgang des globalen Geldvermögens

© Pexels

Die Inflation, der Ukraine-Krieg sowie die Corona-Krise haben enorme Auswirkungen auf den weltweiten Finanzmarkt. Das globale Geldvermögen verzeichnet mit 2,7 Prozent den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise im Jahr 2008.

Nachdem das globale Geldvermögen bis 2021 drei Jahre in Folge zweistellig gewachsen war, brachte das Jahr 2022 die erwartete Zäsur. Der Angriffskrieg Russlands hat den Post-Corona-Aufschwung abgewürgt, eine hohe Inflation gebracht und Wirtschaft und Märkte unter Druck gesetzt. Die Vermögenspreise fielen auf breiter Front. Das Ergebnis war ein kräftiger Rückgang des globalen Geldvermögens der privaten Haushalte um 2,7 Prozent, der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise (GFC) 2008.

Erstmals wieder mehr Investitionen in Kapitaleinlagen als Bankeinlagen

„Hierzulande sehen wir in nahezu allen Bereichen Vermögensverluste, was angesichts der hohen Inflation keine Überraschung ist. Interessant ist aber, dass österreichische Sparer frisches Geld erstmals seit zwölf Jahren wieder mehr in Kapitalanlagen als Bankeinlagen investieren“, berichtet Allianz Österreich-CEO Rémi Vrignaud. Zuführungen zu Bankeinlagen wurden hier um 40,5 Prozent (auf 7,1 Milliarden Euro) reduziert, während die Ersparnisse insgesamt „nur“ um 32,3 Prozent auf 16,4 Milliarden Euro sanken. Wertpapiere dagegen wurden um 15,0 Prozent höher dotiert. Kapitalmarktprodukte an den frischen Ersparnissen lagen in Österreich damit bei 10,6 Milliarden Euro.

Dazu betont Vrignaud: „Das bedeutet aber auch, dass fundiertes Finanzwissen für Privatpersonen und für Unternehmen gleichermaßen von großer Bedeutung ist – und gerade die Versicherungsbranche verfügt über wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse, wie mit finanziellen Risiken umgegangen und langfristig Wert geschaffen werden kann.“

Österreich auf Platz 18 der reichsten Länder

Insgesamt stieg Österreich mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 65.330 Euro in der Rangliste der 20 reichsten Länder auf Platz 18 und tauschte den Platz mit Deutschland. Das Brutto-Geldvermögen der österreichischen Haushalte sank 2022 um 2,7 Prozent und übertraf damit sogar die Verluste während der Finanzkrise (minus 1,5 Prozent).

Im Vergleich zum Jahr vor der Pandemie 2019 ist das Geldvermögen immer noch um 9,4 Prozent höher – allerdings nur nominal. Inflationsbereinigt sind die österreichischen Sparer „ärmer“ als vor der Pandemie, da ihr Vermögen 3,3 Prozent an Kaufkraft verloren hat. Das Wachstum der Verbindlichkeiten verlangsamte sich auf 2,7 Prozent, nach 4,0 Prozent im Jahr 2021. Das Netto-Finanzvermögen schließlich ging um 4,6 Prozent zurück und der Rückgang lag damit ebenfalls über dem bisherigen „Rekord“ von minus 4,2 Prozent im Jahr 2008.

Verlust von Finanzeinlagen im Wert von 6,6 Billionen Euro

Die Wachstumsraten der drei großen Anlageklassen unterschieden sich bei globaler Betrachtung deutlich. Während Wertpapiere (minus 7,3 Prozent) und Versicherungen/Pensionen (minus 4,6 Prozent) starke Rückgänge verzeichneten, zeigten Bankeinlagen mit plus 6,0 Prozent ein robustes Wachstum. Insgesamt gingen Finanzanlagen im Wert von 6,6 Billionen Euro verloren, das gesamte Geldvermögen belief sich Ende 2022 auf 233 Billionen Euro.

Am stärksten war der Rückgang in Nordamerika (minus 6,2 Prozent), gefolgt von Westeuropa (minus 4,8 Prozent). Asien hingegen verzeichnete – mit Ausnahme Japans – noch relativ starke Wachstumsraten. Auch in China wuchs das Geldvermögen mit einem Plus von 6,9 Prozent kräftig. Verglichen mit dem Vorjahr (plus 13,3 Prozent) und dem langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre (plus 15,9 Prozent) war dies jedoch eine eher enttäuschende Entwicklung – die wiederholten Lockdowns forderten ihren Tribut.

Zwei Drittel des Wachstums fielen der Inflation zum Opfer

Trotz der herben Verluste lag das weltweite Geldvermögen der privaten Haushalte Ende letzten Jahres nominal immer noch um fast 19 Prozent über dem Stand von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Inflationsbereinigt reduziert sich dieser Zuwachs allerdings auf magere 6,6 Prozent in drei Jahren, d.h. zwei Drittel des (nominalen) Wachstums fielen den Preissteigerungen zum Opfer.

Während die meisten Regionen zumindest ein gewisses reales Wachstum bewahren konnten, ist die Situation in Westeuropa anders: Alle nominalen Zuwächse wurden ausradiert, das reale Geldvermögen sank gegenüber dem Jahr 2019 um 2,6 Prozent. „Jahrelang haben sich die Sparer über die Nullzinsen beschwert“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Doch der wahre Feind der Sparer ist die Inflation. Und das nicht erst seit dem Inflationsschub nach Covid-19. In Österreich zum Beispiel hat sich das nominale Vermögen pro Kopf in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. Inflationsbereinigt liegt der Zuwachs nur noch bei weniger beeindruckenden 36 Prozent. Dies unterstreicht die Notwendigkeit intelligenten Sparens und größerer finanzieller Kompetenz. Aber die Inflation ist ein schwer zu besiegendes Biest. Ohne Anreize und Subventionen für langfristiges Sparen werden es die meisten Sparer schwer haben.“

Anstieg des globalen Finanzvermögens erwartet

Nach dem Rückgang im Jahr 2022 dürfte das globale Finanzvermögen im Jahr 2023 wieder ansteigen. Dafür spricht vor allem die (bisher) positive Entwicklung an den Aktienmärkten. Insgesamt erwarten wir einen Anstieg des globalen Geldvermögens um rund 6 Prozent, auch unter Berücksichtigung einer weiteren „Normalisierung“ des Sparverhaltens. Bei einer globalen Inflationsrate von rund 6 Prozent im Jahr 2023 sollte den Sparern ein weiteres Jahr mit realen Verlusten auf ihren Geldvermögen erspart bleiben.

Geringes Schuldenwachstum in China

Die Zinswende war auch auf der Passivseite der Bilanzen der privaten Haushalte deutlich zu spüren. Nachdem die globale Privatverschuldung 2021 noch um 7,8 Prozent gestiegen war, schwächte sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich auf 5,7 Prozent ab. Der stärkste Rückgang war in China zu verzeichnen: Das Schuldenwachstum von 5,4 Prozent 2022 war das niedrigste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen.

Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte weltweit Ende 2022 auf 55,8 Billionen Euro. Da sich der Abstand zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum auf 3,9 Prozentpunkte vergrößert hat, ist die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) um mehr als 2 Prozentpunkte auf 66,1 Prozent gesunken. Damit liegt die globale Schuldenquote der privaten Haushalte wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends – ein bemerkenswertes Maß an Stabilität, das kaum zu dem weit verbreiteten Narrativ einer in Schulden ertrinkenden Welt passt.

Allerdings haben sich die Verhältnisse auf der Weltschuldenkarte stark verändert. In erster Linie ist die Entwicklung in den Industrieländern durch Stabilität gekennzeichnet. In den meisten Schwellenländern hingegen sind die Schuldenquoten in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. An der Spitze der Liste steht China, wo sich die Quote auf gut 61 Prozent mehr als verdreifacht hat.

(pi)

Upcoming events