Nach zwei Jahren Unterbrechung konnte am 17. Januar 2023 wieder der traditionelle gemeinsame Neujahrsempfang der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) stattfinden, zu der der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland für Steiermark und Kärnten, Joachim Schönbeck und der Vorsitzende der Landesdelegation Steiermark der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK), Christian Jauk nach Graz eingeladen hatten.
Den wie immer kritisch-optimistischen Ton gab der Vorsitzende der steirischen Landesdelegation Christian Jauk vor: „Das wirtschaftliche Potenzial zwischen Deutschland und Österreich ist groß – wenn man uns nur lässt“. Als ein Steiermark-Fan und Steiermark-Kenner gab sich der deutsche Botschafter in Österreich, Michael Klor-Berchtold in seiner Begrüßung zu erkennen. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich sei hervorragend, sagte Berchtold und erwähnte besonders den Energiebereich. Die beiden Länder haben ein Abkommen zur gegenseitigen Aushilfe geschlossen: „Österreich hilft Deutschland mit seinem Gasspeicher, unsere Flüssiggas-Terminals stehen auch Österreich zur Verfügung“.
Der Botschafter betonte auch, dass die deutsche Bundesregierung keinen Zweifel an ihrer Unterstützung der Ukraine aufkommen lasse: „Wenn Russland aufhörte zu schießen, herrscht Friede, wenn die Ukraine aufhört, sich zu verteidigen, gibt es die Ukraine nicht mehr“. Das sei „die offizielle Position der Bundesrepublik“.
Die Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Wissenschaft und Forschung, Barbara Eibinger-Miedl wies in ihren Eröffnungsworten darauf hin, dass die Steiermark als einziges Bundesland mit Deutschland eine ausgeglichene Handelsbilanz im Umfang von 7 Milliarden Euro hat. Das Land habe nach dem schwierigen Abschied von der Verstaatlichten Industrie in den Achtzigerjahren nun auch die Wende von der Dominanz der Automobil- und Zulieferbranche zu einem erstrangigen Forschungsstandort geschafft, der auch international Beachtung finde. Die Steiermark habe die höchste Forschungsquote von allen Bundesländern. Die enge Zusammenarbeit mit dem Land Hessen sei eine starke Achse zu Deutschland. „Und natürlich sind die Deutschen unsere liebsten Urlaubsgäste“.
„Vertrauen ist die Grundlage für Fortschritt“
“Quantenwirtschaft- Was kommt nach der Digitalisierung?” So lautete der Titel der Keynote des des norwegisch-deutschen Wirtschaftsphilosophen Anders Indset. „Es kommt, was wir haben wollen“, lautete seine banale und selbstverständliche Formel. Der Philosoph liebt Paradoxa und ungewöhnliche Wortschöpfungen, aus denen Anregungen und letztlich Handlungsanweisungen entstehen sollen. Die „Handlungshelden“ seien die Gestalten der Zukunft. So dreht Indset etwa die landläufige Weisheit, dass Transparenz Vertrauen schaffe, um und sagt: „Nein, Vertrauen schafft Transparenz.“ Oder „Liebe ist Mangel an Information“. Eine andere, schwer bestreitbare Formel: „Wir brauchen keine Wissensgesellschaft, sondern eine Vertrauensgesellschaft“. Interessant die Beobachtung, dass wir uns in Bezug auf die Ukraine schon jetzt in einer „Nachkriegsmentalität“ befinden, die den Aufbruch und Wiederaufbau plane. Kryptisch die Wendung: „Wirtschaftliche Tragfähigkeit über Zeit, statt auf Zeit“. Ein Lieblingsgedanke Indsets: „Wir brauchen ein anderes Verständnis von Problemen, bessere Probleme sozusagen. Wir brauchen professionalistische Amateure.“
Indsets ethische Forderungen an Wirtschaft und Gesellschaft sind konventionell, aber gewissermaßen zeitlos: Allein aus unterschiedlichen Meinungen entstehe noch keine Diskussionskultur und die komme nur aus einer Verhaltensänderung. Im Gegensatz zur verbreiteten Haltung, Arbeit als unangenehme und möglichst kurz zu haltende Unterbrechung der Freizeit, plädiert Indset für Bildung: „Menschen, die Verantwortung tragen wollen, brauchen Selbstvertrauen und eine hohe Arbeitsmoral“. Unternehmertum sei für die Zukunft unerlässlich. „Ich glaube an den Kapitalismus.“
In einem kurzen Podiumsgespräch im Anschluss an die Keynote kamen drei Vertreter der Wirtschaft zu Wort: „Die Lage ist besser als die Stimmung“ stellte Joachim Schönbeck, Vorstandsvorsitzender der Andritz AG fest. Die Energiewende biete viele Chancen für die Anlagen-Industrie. Thomas Birtel, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Strabag SE sieht für die Bauwirtschaft in den gegenwärtigen Umbrüchen auch Chancen: Sie seien etwa die öffentlichen Investitionen in Verkehrsinfrastruktur und die innovativen Technologien „stabilisierende Elemente“ für seine Branche. Die Podiumsdiskussion wurde von ORF-Chefredakteur Wolfgang Schaller moderiert.