Aktuelle Zahlen der OeNB zeigen trotz steigender Inflation, hoher Energiepreise und Prognose in Richtung Stagflation ein positives Ergebnis der Leistungsbilanz Österreich. Ein erholter Reiseverkehr sowie Rekordwerte der Netto-Vermögensposition Österreich zeichnen sich ab.
Im ersten Halbjahr 2022 betrug das Ergebnis der Leistungsbilanz Österreichs gegenüber dem Ausland nach erster Berechnung knapp 1 Mrd EUR oder 0,5 Prozent des BIP. Das war insbesondere der Erholung im Reiseverkehr geschuldet, der einen Einnahmenüberschuss in Höhe von 4,5 Mrd EUR ergab. Dem gegenüber kippte der Güterhandel per Saldo in ein Minus (–0,8 Mrd EUR). Die Vermögensposition Österreichs gegenüber dem Ausland wurde von stark negativen Bewertungseffekten beeinflusst, die zu einem deutlicheren Rückgang der bewerteten Verbindlichkeiten im Vergleich zu den Forderungen gegenüber dem Ausland führten. Daraus resultierte ein Anstieg der Netto-Vermögensposition Österreichs um 37 Prozent auf einen Rekordwert von 77 Mrd EUR.
Obwohl Österreichs Außenwirtschaft im ersten Halbjahr 2022 von außergewöhnlichen Rahmenbedingungen, insbesondere einer fortgesetzten Disruption von Liefer- und Produktionsketten und rasch steigenden Energiepreisen, beeinflusst war, konnte ein positiver und stärkerer Beitrag zum Wirtschaftswachstum als noch 2021 erzielt werden, nämlich 3,6 Mrd EUR oder 1,7 Prozent des BIP.
Die gesamte Leistungsbilanz Österreichs, einschließlich Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie laufenden Transfers vis-a-vis der übrigen Welt (Primär- und Sekundäreinkommen), bilanzierte geringfügig positiv im Ausmaß von knapp 1 Mrd EUR oder 0,5 Prozent des BIP und kehrte damit, nach dem Defizit im ersten Halbjahr 2021, wieder zu einem Einnahmenüberschuss zurück.
Güterhandelsbilanz fiel negativ aus
Die Güterhandelsbilanz wies laut Zahlungsbilanzstatistik der OeNB ein Einnahmendefizit in Höhe von –0,8 Mrd EUR aus. Die Importe wuchsen unter dem Eindruck stark steigender Preise für Energie- und Brennstoffe im Vergleich zu den Exporten stärker, was gegenüber dem ersten Halbjahr 2019, als Maßstab für die nominellen Werte vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie, ein Wachstum um 29 Prozent bzw. um 24 Prozent bedeutet. Positiv ausgewirkt haben sich auf die Güterbilanz Transithandelserträge (4,1 Mrd EUR) sowie jene Erträge, die aus dem Warenverkehr im Zuge internationaler Produktionsketten stammten (2,6 Mrd EUR).
Reiseverkehr steigt an
Die Reiseverkehrseinnahmen Österreichs betrugen im ersten Halbjahr 2022 nach erster Schätzung 8,2 Mrd EUR. Das ist um knapp ein Viertel weniger als noch im Vergleichszeitraum des Jahres 2019, aber deutlich mehr als 2020 (7,3 Mrd EUR) und vor allem 2021(1,3 Mrd EUR). Der Hauptanteil der Einnahmen kam von Gästen aus dem Nachbarland Deutschland, deren Marktanteil sich auf knapp 50 Prozent erhöhte. Die Durchschnittsausgaben ausländischer Gäste in Österreich (gesamte Reiseverkehrsausgaben pro gezählter Übernachtung) lagen mit rund 182 EUR um 2 Prozent unter jenen des ersten Halbjahres 2019. Unter Berücksichtigung des Preisauftriebs in Beherbergung und Gastronomie hat sich das Ausgabeverhalten im Reiseverkehr in realer Betrachtung deutlich verringert.
Bestände an Auslandsverbindlichkeiten sanken
In den finanziellen Forderungs- und Verpflichtungsbeständen Österreichs gegenüber dem Ausland spielte im Umfeld der gegenwärtigen globalen Friktionen neben dem Anstieg der Auslandsverschuldung des Sektors Staat und des Bankensektors die Marktabwertung, sowohl der Forderungen als auch der Verbindlichkeiten, aufgrund von negativen Preiseffekten eine deutliche Rolle. Eine negative Börsendynamik drückte auf die Aktienbestände und die Kurse von verzinslichen Wertpapieren sanken im Umfeld steigender Zinsen. Wechselkurseffekte infolge der Abwertung des Euro wirkten im Vergleich zu den Preiseffekten nur geringfügig.
In Summe sanken die österreichischen Bestände an Auslandsverbindlichkeiten in Absolutwerten wesentlich stärker als jene der Forderungen. Im krisengeschüttelten internationalen Umfeld resultierte daraus ein beachtlicher Anstieg der Netto-Vermögensposition Österreichs (+37 Prozent gegenüber Q2/21) auf einen Rekordwert von 77 Mrd EUR im Vergleich zum 2. Quartal 2021.