Steigende Handelshürden in den USA: Deutsche Unternehmen zwischen Risiko und Resilienz

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Globale Handelsbeziehungen stehen zunehmend unter Druck. Neue Zölle, geopolitische Spannungen und verschärfte regulatorische Anforderungen verändern die Rahmenbedingungen für Exporteure weltweit. Für deutsche Unternehmen wird damit deutlicher denn je, wie stark ihre Abhängigkeit von einzelnen Absatzmärkten und Lieferketten sie verwundbar macht. Vor allem die USA – seit Jahrzehnten ein zentraler Handelspartner – entwickeln sich für viele Firmen von einer verlässlichen Stütze zu einem Risiko. Gleichzeitig entstehen neue Anforderungen: Marktdiversifikation, resilientere Lieferketten und die konsequente Einbindung von ESG-Faktoren sind entscheidende Stellhebel, um im internationalen Wettbewerb zukunftsfähig zu bleiben.

Steigende Handelshürden in den USA zwingen deutsche Unternehmen, Absatzmärkte zu diversifizieren, Lieferketten zu überprüfen und ESG-Faktoren stärker in den Fokus zu rücken. „Die Abhängigkeit vom US-Markt ist für viele deutsche Exporteure ein Klumpenrisiko und genau dieses Risiko zeigt sich jetzt deutlich“, sagt Stefan Kuhlmann, Commercial Director Deutschland bei Dun & Bradstreet Deutschland.

Mit den jüngsten US-Zöllen rückt die Frage in den Vordergrund, wie Unternehmen ihre internationale Aufstellung widerstandsfähiger gestalten können. Der Druck zur Marktdiversifikation ist spürbar gestiegen. Laut aktuellen Dun-&-Bradstreet-Daten planen 70 Prozent der großen Unternehmen, ihre US-Abhängigkeit zu reduzieren – bei kleinen und mittleren Unternehmen sind es lediglich 32 Prozent. „Großunternehmen haben oft den Vorteil, schneller in neue Märkte zu expandieren. Für KMU ist dieser Schritt eher ein Marathon als ein Sprint.“

Regionale Unterschiede verschärfen die Lage. Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen machen über 60 Prozent der deutschen Industrieproduktion aus. Baden-Württemberg mit seinem besonders starken Fertigungssektor trägt fast ein Drittel seines regionalen BIP aus der Industrie – hier ist die Verwundbarkeit am höchsten.

Lieferketten im Stresstest

Neben der Erschließung neuer Absatzmärkte steht das Thema Lieferkette im Zentrum vieler Strategiediskussionen. „Nearshoring kann die Resilienz stärken, aber es ist kein Selbstläufer“, warnt Kuhlmann. Politische Unsicherheiten, Qualitätsprobleme oder begrenzte Skalierbarkeit bleiben selbst in vermeintlich sicheren Regionen Risiken. „Wer nur den Standort verlagert, ohne Risiken systematisch zu bewerten, gewinnt keine Sicherheit.“

Besonders kritisch: Fast die Hälfte aller Lieferkettenstörungen beginnt nicht beim direkten Zulieferer, sondern zwei oder drei Stufen tiefer. „Wer seine Lieferkette nicht überwacht, wird beim nächsten Schock wieder kalt erwischt.“

Auswirkungen auf Automobilbranche und Raumfahrt

Deutschland hält seit den 1990er-Jahren einen Handelsüberschuss mit den USA sowohl im Güter- als auch im Dienstleistungshandel. Allerdings haben Rückgänge in der deutschen Wirtschaft zuletzt auch die Importe aus den USA verringert, was den Überschuss weiter verstärkt.

Während die Automobilexporte in die USA vor der Pandemie bereits rückläufig waren (minus 21 Prozent zwischen 2015 und 2019), erholten sie sich 2024 wieder und erreichten mit 36,8 Milliarden US-Dollar sogar ein neues Hoch. 

„Besonders dynamisch wächst der Bereich Flugzeug- und Raumfahrzeugtechnik mit mehr als einer Verdopplung der Exporte seit 2019 auf 6,3 Milliarden US-Dollar“, sagt Kuhlmann. 

Geopolitik und ESG als harte Standortfaktoren

Handelskonflikte, neue Regulierungen oder blockierte Transportrouten können heute innerhalb von Stunden ganze Märkte abriegeln. „Es reicht nicht mehr, den günstigsten Lieferanten zu finden. Man muss den politisch stabilsten, nachhaltigsten und verlässlichsten finden“, betont Kuhlmann. ESG-Kriterien sind dabei längst keine weichen Image-Themen mehr, sondern knallharte Standortfaktoren. „Sie beeinflussen die Lieferfähigkeit, den Kundenzugang und das Investoreninteresse.“

Resilienz als neues Exportkapital

Für deutsche Exporteure gilt heute: Resilienz ist kein Kostenfaktor, sondern ein Wettbewerbsvorteil.„Resilienz ist die neue Währung im internationalen Handel.“ Strategien, die Marktdiversifikation, transparente Lieferketten und ESG-konforme Standards verbinden, sichern nicht nur die Lieferfähigkeit – sie eröffnen auch Chancen, schnell auf neue Gelegenheiten zu reagieren. „Die Gewinner von morgen sind die, die schon heute an mehreren Fronten vorausplanen.“

(pi)

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