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Birgit Rechberger-Krammer, Henkel Austria

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Birgit Rechberger-Krammer, Präsidentin von Henkel in Österreich und Senior Corporate Vice President Henkel Consumer Brands Europe © Henkel Austria
Birgit Rechberger-Krammer, Präsidentin von Henkel in Österreich und Senior Corporate Vice President Henkel Consumer Brands Europe © Henkel Austria

Die österreichische Wirtschaft und Industrie stehen vor enormen Herausforderungen: Die längste Rezession seit 1945, steigende Arbeitskosten, hohe Energiepreise und eine wachsende Bürokratie setzen Industrieunternehmen unter Druck. Henkel Austria, mit Wien als regionaler Zentrale für Mittel- und Osteuropa, setzt auf eine umfassende Strategie und lokale Produktion, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Im Interview mit xBN gibt Birgit Rechberger-Krammer, Präsidentin von Henkel in Österreich und Senior Corporate Vice President Henkel Consumer Brands Europe, Einblick, wie das Unternehmen auf die aktuellen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Umbrüche reagiert, welche Strategien es zur Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Preisstabilität verfolgt und wie es sich als attraktiver Arbeitgeber positioniert.

Wie bewerten Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in Österreich aus Sicht von Henkel Austria?

Wenn man die Situation als herausfordernd bezeichnet, ist das eine positive Formulierung. Wir befinden uns inmitten der längsten Rezession seit 1945. Dass Arbeitskosten, Bürokratie, die hohen Energiepreise und Lohnabschlüsse für Industrieunternehmen nicht leicht zu schultern sind, kann jeder leider täglich in den Medien mitverfolgen. Eine starke Industrie macht es grundsätzlich möglich, dass viele andere Unternehmen und Branchen mitprofitieren. Aktuell steuern wir auf eine Situation zu, in der es anscheinend wünschenswert ist, dass wir uns irgendwann gegenseitig den Kaffee servieren. Denn was fix ist: Sind Industrie-Arbeitsplätze aus Österreich abgewandert, kehren sie nicht wieder.

Welche Bedeutung hat der Standort Wien heute für Henkel Austria und wie hat sich diese Rolle in den letzten Jahren verändert? Und gibt es Pläne, bestimmte Geschäftsbereiche in Wien auszubauen oder neu auszurichten?

Wien ist für Henkel regionale Zentrale für Mittel- und Osteuropa. Wir sind in unserem Mitbewerber-Umfeld der internationalen Markenartikler die Einzigen mit einer sogenannten Vollstruktur. Was meine ich damit? Wir betreiben kein Österreich-Verkaufsbüro, sondern sind kompetenzseitig umfassend aufgestellt. Wir verfügen über Produktionsstätten – eine in Wien für den Konsumgüterbereich, zwei in Vorarlberg für das Klebstoff-Industriegeschäft. Wir haben ein Zentrallager für Konsumgüter in Wien-Meidling, dazu innerhalb von Schwarzkopf Professional Europas größte Friseur-Akademie am Kärntnerring, darüber hinaus verfügen wir über verschiedene Klebstoff-Labore und -Schulungszentren in Wien. Darauf sind wir sehr stolz, weil wir uns konzernintern laufend einem Benchmarking stellen müssen. Rollen und Funktionen von Standorten und Unternehmenszentralen ändern sich ständig, denken Sie nur an die Chancen der Digitalisierung. Das Konzept „Headquarters“ ist fluide geworden. Darauf stellen wir uns laufend ein.

Die massiv steigende Inflation hat die Kaufkraft der Konsumenten stark beeinträchtigt. Wie wirkt sich dies konkret auf das Markenartikel-Geschäft von Henkel Austria aus – sowohl auf der Kosten- als auch auf der Nachfrageseite? 

Wir müssen uns der Verantwortung als Markenartikler stellen, gerade in einem derart diffizilen Konsumklima – die Sparquote ist ja im vergangenen Jahr, laut Statistik Austria, auf 11,7 Prozent gestiegen, ein Zeichen für große Verunsicherung. Markenartikler zu sein, bedeutet Vertrauen zu schaffen, Produktversprechen einzuhalten und mit Innovationen nachvollziehbaren Mehrwert zu schaffen. Wir müssen unseren Konsument:innen auf allen medialen Kanälen laufend, transparent und nachvollziehbar erklären, warum sie unseren Marken und unseren Innovationen vertrauen können.

Aktuell steuern wir auf eine Situation zu, in der es anscheinend wünschenswert ist, dass wir uns irgendwann gegenseitig den Kaffee servieren. Denn was fix ist: Sind Industrie-Arbeitsplätze aus Österreich abgewandert, kehren sie nicht wieder.
Birgit Rechberger-Krammer

Welche Strategien verfolgen Sie, um die Preisstabilität und Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Markenprodukte in einem inflationsgeprägten Umfeld zu sichern?

Unsere Innovationsquote im Konsumgüterbereich liegt bei über 50 Prozent. Das heißt, die Hälfte unseres Umsatzes erzielen wir mit Produkten, die es vor 3 Jahren am Markt noch nicht gegeben hat. Die drei Haupt-Trends lauten Premiumisierung, Convenience und Nachhaltigkeit.

Was meinen Sie damit konkret?

Premiumisierung meint die sukzessive Verbesserung unserer Marken, um sie höherwertiger und in ihrer Leistung anspruchsvoller zu machen. Schwarzkopf Creme Supreme ist so ein Beispiel aus der Haarkosmetik. Colorationen, die das Haar nicht nur exakt färben, sondern es dabei gleichzeitig auch schützen. Denn das Schwarzkopf Bonding HaptIQ System, das für Ergebnisse sorgt, die man sehen und fühlen kann, ist in allen drei Schritten des Färbeprozesses enthalten. 

Dann der Langzeit-Trend Convenience. Einzahlen tun darauf etwa unsere Caps bei Persil oder bei Somat, bequem anzuwenden und im Dosierungsvolumen stark reduziert – was somit gleichzeitig auch ein Nachhaltigkeitsvorteil ist. 

Nachhaltigkeit ist ein Buzz Word, das jede und jeder gerne in den Argumentations-Ring wirft.

Bei Nachhaltigkeit führend zu sein, ist einer von fünf Henkel-Unternehmenswerten. Wir betrachten Nachhaltigkeit entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette und waren 1992 eines der ersten Unternehmen, das einen wissenschaftlich fundierten Nachhaltigkeitsbericht publiziert hat. Also wir nehmen das Thema schon sehr ernst. Jede unserer Innovationen muss gegenüber dem vergleichbaren Vorgängerprodukt einen Nachhaltigkeitsvorteil aufweisen. Unser Engagement reicht vom vermehrten Einsatz von Recyclingkunststoffen bis hin zu neuen Inhaltsstoffen, also etwa Enzyme, die das Kaltwaschen und damit das Energiesparen im Haushalt verbessern helfen. Ein aktuelles Verpackungsbeispiel von Blue Star WC Hygiene: Wir ersetzen die bestehenden Plastik-Blister durch Kartonverpackungen, Österreich ist dafür Pilotmarkt.

Die Rückkehr von Donald Trump ins Amt des US-Präsidenten hat weitreichende Auswirkungen auf die internationale Wirtschaftspolitik und Handelsbeziehungen. Inwiefern betrifft das Henkel Austria, beispielsweise in Bezug auf Zölle?

Was Henkel betrifft, so sind die direkten Belastungen durch höhere Zölle zunächst zu verkraften.  In der Regel produzieren wir den größten Teil der Waren auch in dem Land oder der Region, in der wir sie verkaufen. Wir nennen diesen Ansatz „in der Region, für die Region“. Dennoch werden deutlich höhere Zölle und Restriktionen im globalen Handel auch bei uns zu höheren Kosten führen. Zudem ist klar: Ein globaler Zollstreit und Handelskonflikte werden in jedem Fall das weltweite Wirtschaftswachstum belasten. 

Inwieweit werden globale Megatrends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft in die strategische Ausrichtung des Standorts integriert und vorangetrieben?

Es ist interessant, dass Sie Digitalisierung und Nachhaltigkeit dezidiert ansprechen. Diese zwei Trends sind in Kombination mit dem dritten Trend, Innovation, exakt jene, für die wir im Rahmen unserer strategischen Purposeful Growth-Agenda einen sogenannten „Competitive Edge“ herausarbeiten wollen, also einen Wettbewerbsvorteil. Wir haben diese strategische Ausrichtung im März 2020 vorgenommen. Dann kamen Corona-Pandemie, Lieferketten-Disruptionen, der Krieg in der Ukraine, Energiekrise etc. Wir haben jedoch unseren strategischen Kurs beibehalten, weil wir unsere Purposeful Growth-Agenda weiterhin für richtig halten. Dazu zählt neben dem „Competitive Edge“ natürlich auch das Bemühen, unser Portfolio und unsere operativen Prozesse anzupassen oder neu auszurichten. Und last but not least müssen und vor allem können wir uns bei all dem auf ein engagiertes Henkel-Team, das sich diesem Kulturwandel selbstbewusst stellt, verlassen.

Das Henkel-Werk in Wien. © Henkel Austria

Der Fachkräftemangel ist ein branchenübergreifendes Thema. Wie begegnet Henkel Austria dieser Herausforderung? Welche Maßnahmen ergreifen Sie konkret, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, langfristig zu binden und sie für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen?

Neben den „Basics“ in Form von attraktiven Gehältern und Corporate Benefits – in unserem Fall reicht die Bandbreite von preisgünstigem Kantinenessen, über Familienservice-Angeboten und Gesundheitsförderungs-Initiativen bis hin zu einem Aktien-Beteiligungsprogramm für Mitarbeiter:innen – gehen die Fragen von Bewerber:innen immer stärker in Richtung „Purpose“: Warum gibt es euch als Unternehmen? Was trägt ihr zum gesellschaftlichen Fortschritt bei? Wie haltet ihr es mit der Nachhaltigkeit? Unser Purpose – der sich natürlich auch von unseren 5 Unternehmenswerten ableitet – lautet: „We are pioneers at heart for the good of generations“.

Da ist vieles drin, worüber ich zuvor gesprochen habe: Unternehmerisches Denken, Innovationsfokus, Eigenverantwortung, aber auch gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Henkel seit nunmehr fast 150 Jahren, also über viele, viele Generationen hinweg, wahrnehmen. Würden wir nicht nach diesen Prinzipien am Markt agieren, gäbe es uns schon längst nicht mehr. Bei Henkel haben wir das Glück, dass unser positives Standing am Job-Markt auch extern immer wieder geprüft und bestätigt wird. In Österreich sind wir beispielsweise bei „Best Recruiters“ über Jahre hindurch die Nummer 1. Wir waren zuletzt auch „Top Female Workplace“ und „Top Arbeitgeber“ in Wien, in letzterem Fall als eines von 34 Unternehmen, gekürt durch das Institut für Management und Wirtschaftsforschung, in Kooperation mit der „Kronenzeitung“. Und auch in der Studie von „Service Value“ zu „Österreichs beste Arbeitgeber“ erhielten wir kürzlich das Zertifikat „Sehr hohe Attraktivität“.



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