T-Systems Österreich testet seit Jahresbeginn 2023 die 4-Tage-Woche. Über erste Erfahrungen damit sprachen wir mit Mag. Gertrud Götze, Vice President HR, die diesen Versuch startete.
Über Fachkräftemangel zu klagen ändert nichts. Nur wenn wir selbst etwas tun, können wir etwas bewegen. Wenn ich möchte, dass Talente bei mir arbeiten, dann muss ich ein interessantes Umfeld und interessante Bedingungen bieten. Wenn ich Kompetenzen brauche, die es am Markt nicht ausreichend gibt, dann werde ich sie entwickeln müssen. Das ist für mich der Kern von Unternehmertum: Wir müssen agieren, auch etwas ausprobieren. Wenn wir immer erst auf die Regierung warten, oder auf den Markt, werden wir zu langsam sein. Unternehmen müssen aktiv werden, selbst neue Realitäten schaffen und sich überlegen, wie Ziele erreicht werden können.
Mag. Gertrud Götze
Dieses Plädoyer von Gertrud Götze beantwortete die Frage nach der Motivation für das Experiment mit der 4-Tage-Woche. Nun aber zuerst einmal zu den Details. T-Systems startete im Jänner 2023 mit folgendem Experiment: Teams oder Abteilungen können freiwillig (!) zur 4-Tage-Woche wechseln. Es gibt keine Gehaltseinbußen – Mitarbeitende, die an der 4-Tage-Woche teilnehmen, erhalten die gleiche Bezahlung wie davor.
Es gelten drei Prämissen
- Vorgaben und Ziele werden nicht verändert: KPIs, EBIT und Ergebnisse sind fix, es darf keine Einschränkungen beim Kundenerlebnis und -service geben.
- Ein Tag mehr frei pro Woche (nicht etwa weniger Stunden an 5 Tagen), gesamt 36 statt 38,5 Stunden pro Woche – also durchschnittlich 9 Stunden an 4 Tagen pro Woche. Der zusätzliche freie Tag wird in Abstimmung mit dem Team festgelegt.
- Keine zusätzlichen Mitarbeitenden.
Teams müssen sich daher überlegen, wie sie die 2,5 Stunden pro Woche und Person einsparen können, denn einfach nur schneller zu arbeiten wird nicht gehen. Das Modell stellt allerdings schon zu einem Teil darauf ab, dass ein zusätzlicher Tag Erholung an sich leistungsfähiger macht – sodass man in der tatsächlich aktiven Zeit konzentrierter ist, weniger Fehler macht usw. Zeit einzusparen gelingt Teams auf unterschiedliche Weise, beispielsweise indem Meetings gestrafft werden, manche Meetings entfallen oder verkürzt werden, indem manche Tätigkeiten automatisiert werden, u.v.m.
Wie laufen der Einstieg und die Vorbereitung? Vor dem Beginn gab es einen Vorlauf von 4 Monaten, der auch Klärung und Gespräche mit Legal und anderen Bereichen brauchte, um möglichst alle Aspekte bedenken und in den Teams diskutieren und vorbereiten zu können. Das gehört auch zu den Erfolgsfaktoren, die sich inzwischen herauskristallisierten.
Die Erfolgsfaktoren
- Für die Vorbereitung Zeit nehmen: Teams müssen durchdenken, was das für ihre Arbeit und ihre Ergebnisse bedeutet und wie sie sich neu aufstellen und organisieren müssen, damit es funktioniert.
- Teams entscheiden selbst, wie sie die 4-Tage-Woche umsetzen. Wenn zu bestimmten Zeiten das Telefon durchgehend besetzt sein muss, dann müssen die Teams einen Weg finden, wie sie das organisieren. Die Arbeit der verschiedenen Abteilungen und Teams ist viel zu unterschiedlich, um einheitliche Regelungen aufzustellen. Teams können sehr gut selbst überlegen und festlegen, wie und ob das Konzept für sie passt und wie sie sich neu aufstellen.
Wie viele Teams bzw. Abteilungen nehmen bisher an dem Experiment teil? Von Beginn an nahmen 60 Mitarbeitende teil, im April folgen jetzt weitere Teams. Von insgesamt etwas über 600 Mitarbeitenden also gerade ein interessanter Anteil, wo sich schon etwas sagen lässt. Jene Teams, die Kundenverträge auf Stundenbasis halten, können aus diesem Grund beispielsweise nicht an der 4-Tage-Woche teilnehmen. Wenn Kunden eine bestimmte Anzahl Stunden gekauft haben, dann können diese nicht komprimiert werden.
Gibt es in der kurzen Laufzeit bereits Erfahrungen, wie sich das Experiment auf Recruiting, Anzahl an Bewerbungen, Fluktuation, Krankenstände usw. auswirkt? Interessant war festzustellen, dass sich auf die Teilzeit-Option bzw. 4-Tage-Option doppelt so viele Personen bewerben wie auf Vollzeit. Es zeigt sich auch eine Verbesserung bei der Retention, aber nach so kurzer Zeit ist das noch nicht sehr aussagekräftig.
Apropos Laufzeit: Das Experiment wurde aktuell einmal bis Ende Juni 2023 verlängert. Danach sollen alle Erfahrungen auf den Tisch gelegt werden. Dann wird sich zeigen, ob es allenfalls eine weitere Verlängerung geben soll.
Wie wird der Erfolg gemessen?
Es gibt verschiedene, laufende Messungen, die uns zur Verfügung stehen. Ein Befragungstool über Zufriedenheit und Erfahrungen liefert laufend Steuerungsinformationen. Zusätzlich wird gerade eine spezialisierte App evaluiert, die laufend das sogenannte Sentiment erhebt, also wie es den Mitarbeitenden mit der Erfahrung geht. Dabei handelt es sich um fundierte, psychologische Verfahren, die Indikatoren für Führungskräfte liefern. Aber auch mit den bereits erhobenen Daten können Führungskräfte laufend Anpassungen vornehmen und unmittelbar reagieren.
Führungskräfte scheinen hohe Freiheitsgrade zu genießen bei der Art, wie sie ihre Teams führen. Tatsächlich ist es so, dass das insbesondere auch in der ersten Zeit nach der Pandemie besonders sichtbar wurde. Zu dieser Zeit wurde vielfach in der Wirtschaft beklagt, dass viele Mitarbeitende nicht zurück ins Büro kommen wollten. Hier ist es Aufgabe der Führungskräfte, eine Vision für ihr Team zu haben, und alle mitzunehmen. Zunehmend zeigt sich das auch als Erfolgsfaktor beim Ansprechen junger Zielgruppen im Recruiting. Es wird zunehmend wichtiger, eine sinnvolle Arbeit zu tun, Menschen möchten etwas tun, das Sinn hat. Das soll auch dazu beitragen, dass das “T” im Lebenslauf erstrebenswert ist.
Wie wird das Experiment im Konzern gesehen? T-Systems Österreich hat diesen Testlauf in einer überschaubaren Größe angestoßen. Die Erfahrungen werden mit dem Mutterkonzern geteilt – und je nachdem, wie die Beurteilung ausfällt und wie passend die Erfahrungen auch zu anderen Regionen sind, kann es sein, dass das Experiment breiter wird – oder eben nicht. Diese Freiheit gibt es, dass einzelne Einheiten und Ländergesellschaften für ihren Bereich Neues ausprobieren. Diese Möglichkeit innerhalb des Konzerns wird gesamthaft sehr positiv wahrgenommen und hat sich bewährt. Wenn bei Experimenten Herausforderungen auftauchen, wird man sich diesen stellen, und nicht immer gleich beim ersten Problem die Flinte ins Korn werfen. Experimente wie dieses brauchen einen Zugang der Lösungsorientierung. Nach einiger Zeit wird man dann die Ergebnisse auf den Tisch legen und entscheiden.
Wenn von den Führungskräften erwartet wird, eine Vision für ihr Team zu haben und eine Sinnstiftung – dann muss die Führung des gesamten Unternehmens und der Ländergesellschaften das natürlich auch vorleben. Niemand kann sich zurücklehnen und darauf warten, dass andere etwas tun. Unternehmertum und Führung bedeuten, dass man im Fahrersitz ist und die volle Verantwortung für den Erfolg trägt.
Das Gespräch mit Gertrud Götze führte xBN Herausgeberin Isabella Mader.