Die Menschheit beklagte, dass mit Pferden alles viel zu langsam ginge. Wir brauchen viel mehr und viel schnellere Pferde. Dann kam das Auto. Derzeit klagen (fast) alle über strukturelle Überlastung, zu viel Administration, zu viel Text, zu viel Information usw. – und wünschen sich mehr und leistungsfähigere Mitarbeitende. Ist generative Künstliche Intelligenz (also ChatGPT & Co) der Schnellere-Pferde-Moment der Wissensarbeit? Oder einer davon?
Was ist überhaupt die ChatGPT? ChatGPT ist eine Variante des GPT-Sprachmodells (Generative Pre-training Transformer), das für die Erstellung von Texten in einem menschlichen Gesprächskontext entwickelt wurde. Es ist darauf spezialisiert, Antworten in natürlicher Sprache zu generieren, wenn ein Benutzer ein paar Angaben macht. Damit wird das Tool für eine Vielzahl von Geschäftsanwendungen einsetzbar. Gleichzeitig liest man wieder vielerorts vor Warnungen. Auch Schule und Studium würden obsolet. Schule und Studium, das auf Auswendiglernen ausgelegt ist, sollte auch besser sehr schnell obsolet werden und durch jene Lehre ersetzt werden, die uns beibringt, WIE man denken kann, statt WAS man denken (auswendig lernen) soll. Dazu später mehr.
Seit den 1960er Jahren wird die Angst vor dem Jobverlust durch Roboter oder Künstliche Intelligenz durch das mediale und gesellschaftliche Dorf getrieben. Ergebnis ist, dass wir heute gesamthaft als Menschen höherwertige Tätigkeiten ausführen und uns von Maschinen zunehmend mehr anstrengende, gesundheitsschädliche oder stupide Tätigkeiten abnehmen lassen. Statt händisch zu montieren, steuern Mitarbeitende in der Industrie heute ganze Maschinenparks. Neue Geschäftsfelder wurden erschlossen, neue Produkte erfunden – Mitarbeitende werden händeringend gesucht.
Alle klagen über strukturelle Überlastung. Kennen Sie jemanden, der oder dem im Büro oder am Arbeitsplatz langweilig ist? Vielleicht manche Wachdienste ausgenommen.
Die Aufgabe von Management im 20. Jahrhundert war es, die Produktivität der körperlichen Arbeit zu erhöhen. Die Aufgabe des Managements im 21. Jahrhundert ist es, die Produktivität von Wissensarbeit zu erhöhen, sagte schon Peter Drucker. Wie weit sind wir da?
Zuviel Bürokratie, dutzende Formulare, Berichte? Ein Massenphänomen. Täglich neue Auflagen, einerseits durch den Gesetzgeber, andererseits durch intern täglich neu erfundene Regeln. Haben Sie schon einmal versucht, Regeln zurückzunehmen? Das gelingt bekanntlich schlecht.
Was spricht aber eigentlich dagegen, generative Künstliche Intelligenz, wie die Tools vom Stile der bekannten ChatGPT genannt werden, intensiv zur Entlastung von Wissensarbeit zu nutzen? Warum nicht einen Bericht schon einmal entwerfen lassen? Warum nicht eine Recherche erst einmal grob zusammenstellen lassen, um sie dann professionell fertigzustellen?
Erwarten Sie keine Erleuchtung aus einem Report, den die ChatGPT schreibt. Als Universitätslektorin kann ich sagen, dass meine Studierenden natürlich die Fragen einer Probeklausur durch die ChatGPT schicken. Wir haben die Ergebnisse gemeinsam angesehen und es war klar, dass die ChatGPT die Prüfung nicht schaffen würde. Aber: Ein Beitrag zu einem Grundgerüst und einigen ausgewählten Aspekten ist schon da. Bei einer Prüfung stellt sich die Frage derzeit nicht, wenn ohne IT-Hilfsmittel gearbeitet werden soll und die Anwendung von Wissen gefragt ist, und nicht auswendig Gelerntes.
Im Unternehmen sind technische Hilfsmittel hingegen erlaubt und erwünscht. Generative KI kommt also in einem Umfeld von Informationsflut und drückender administrativer Last wie gerufen. Ein systematischer, sinnvoller Einsatz kann wertvolle Dienste tun und menschliche Arbeitsleistung für das freispielen, was der Mensch besser kann, z.B. eine heikle Verhandlung führen, Zeit für die Beratung von Kunden haben, wieder einmal bei einem Kunden anrufen, die Sorgen eines Team-Mitglieds hören und bei der Lösung helfen.
Lassen wir doch die Maschine tun, was die Maschine besser kann: Massenbearbeitung. Und lassen wir den Menschen tun, was der Mensch besser kann – und wofür er jetzt aber häufig gar keine Zeit mehr hat.
Generative KI – eine Übersicht
Was gibt es denn nun schon auf dem Gebiet der generativen KI? @aaronsiim (Folgeempfehlung!) hat auf Twitter eine sehr praktische Übersicht angeboten, die wir hier gerne verlinken.
Jobs für die ChatGPT:
Hier sind einige der Möglichkeiten, wie Unternehmen Tools wie ChatGPT nutzen können.
- Brainstorming von Ideen
- Erstellen erster Entwürfe von Content aller Art
- Erster Entwurf von Recherchen
- Erstellen von Anleitungen
- Automatisieren oder Verbessern einfacher Prozesse
- Follow-ups planen
- Schreiben von einfachem Computercode
- Übersetzungen (top Qualität liefert auch DeepL)
- Wir überlegen noch, ob wir ChatGPT einen redaktionellen Beitrag über ChaGPT schreiben lassen – haben uns wegen des Bias aber dagegen entschieden
Wenn der oder die Polizeibeamte/-beamtin die Vernehmung führt, und eine KI transkripiert – wunderbar! Warum soll die wertvolle Arbeitskraft eines/einer Polizeibeamten/-beamtin für das Abtippen eines Berichts vergeudet werden? In diesem Fall wird es wohl eine sogenannte On-Premise KI sein, aber der Kreativität, wertvolle menschliche Leistung zu entlasten, sind hier wenige Grenzen gesetzt.
Cybersecurity und Datenschutz
Im IT Security Training empfiehlt es sich vorzusehen, dass ChatGPT keine geeignete Anwendung für Unternehmen in relevanter Marktposition ist, um interne Inhalte bearbeiten zu lassen.
ChatGPT und Arbeitsplätze
Natürlich gibt es die Befürchtung (schon seit Jahrzehnten), dass KI Arbeitsplätze kosten wird und kostet. Gleichzeit schafft sie auch Arbeitsplätze und erhöht die Produktivität der bestehenden Belegschaft. Professionals lassen die ChatGPT Content für den nächsten Blog-Beitrag recherchieren, das Skript für das nächste Lehrvideo entwerfen, uvm. Wir können die ChatGPT als persönliche Assistenz in allen Levels des Unternehmens einsetzen und unsere Belegschaft deutlich produktiver machen – dort wo eine persönliche Assistenz vielleicht angenehm, aber unfinanzierbar ist.
Im Idealfall arbeitet ChatGPT, während Sie mit Ihren Kunden auf einen Kaffee gehen. Das wäre dann die idealtypische österreichische Anwendung einer ChatGPT. Wien hätte damit auch den Schnellere-Fiaker-Moment.