Chancengleichheit steigert Unternehmens-Performance

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Chancengleichheit ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. © christina wocintechchat/unsplash

Es gibt nicht nur den Gender Pay Gap und den Gender Pension Gap, es gibt auch den Gender Leadership Gap. In Österreich haben Frauen vielfach noch das Nachsehen, gerade auch was Führungspositionen betrifft. Dabei erhöht Chancengleichheit beziehungsweise Diversität generell die Attraktivität und Produktivität von Unternehmen. Ambitionierte Betriebe können sich das equalitA-Gütesiegel holen.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag, auch Weltfrauentag genannt. Jährlich wird mit Demos, Kundgebungen, Presseaussendungen, Studien und Analysen auf die Situation von Frauen und die mangelnde Chancengleichheit aufmerksam gemacht.

Die relevanten Zahlen für Österreich: Aktuell beläuft sich der sogenannte „Gender Pay Gap” laut Berechnungen des internationalen Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW) auf 13 Prozent. Das sind 47 Kalendertage, die Frauen rechnerisch unbezahlt arbeiten. Im Österreich-Schnitt ergibt das eine Differenz von rund 6.000 Euro im Jahr. Hochgerechnet auf ein Arbeitsleben von 40 Jahren könnte Frau sich um dieses Geld eine Eigentumswohnung leisten, sagen die Expertinnen bei BPW.

BPW berechnet seit 2009 den Equal Pay Day (EPD) für Österreich. Die Zahlen für den EPD 2023 basieren auf der Einkommensstatistik 2021. Der Equal Pay Day rückte nun erstmals in der Geschichte seiner Berechnung nach hinten. Der Aktionstag fiel 2023 auf den 16. Februar. Er zeigt auf, wie groß die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen ist, wenn sie die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.

Mangelnde Chancengleichheit ist armutsgefährdend

Auf den Stundenlohn bezogen ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen in den vergangenen Jahren in Österreich zwar gesunken – auf 18,8 Prozent. Verglichen mit dem EU-Schnitt von 12,7 Prozent ist dies aber kein Ruhmesblatt.

Unterschiedliche Niveaus an Chancengleichheit in Europa. Gender Pay Gap in den EU-Mitgliedstaaten 2021 in Prozent (Grafik)

Das geringere Einkommen von Frauen reduziert ihre Pensionsbemessungsgrundlage empfindlich. Dadurch seien Frauenpensionen im Schnitt um 700 Euro geringer als Männerpensionen. Gemessen an der Armutsgefährdungsschwelle von 1.371 Euro monatlich sei jetzt jede zweite Frau davon bedroht, in der Pension unter diese Schwelle zu rutschen, machte vor kurzem Carmen Jeitler-Cincelli, stellvertretende Generalsekretärin des Österreichischen Wirtschaftsbundes, im Hörfunk aufmerksam.

Was sich in diesen Zahlen wiederspiegelt ist der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigung, der österreichische Frauen nachgehen: 49,6 Prozent aller erwerbstätigen Frauen ist derzeit in einem derartigen Arbeitsverhältnis – deutlich mehr als Männer und deutlich mehr als der EU-Schnitt.

Auch kinderlose Frauen arbeiten gern in Teilzeit

Die Teilzeitquote von Frauen steigt mit der Geburt eines Kindes erheblich an, während der Anteil von Männern mit Kindern in Teilzeit sogar unter jenem von Kinderlosen liegt, zeigt eine Auswertung des Think Tanks Agenda Austria. Interessant ist aber auch, dass nahezu die Hälfte der kinderlosen Frauen zwischen 45 und 54 Jahren Teilzeit arbeitet. Bei den Frauen zwischen 35 und 44 Jahren sind es knapp über 30 Prozent.

Flächendeckende Kinderbetreuung, mit Angeboten, die Vollzeitbeschäftigung ermöglicht, ist für viele zweifellos eine Lösung. Aber nicht der einzige Puzzleteil. „Der österreichische Teilzeitboom gründet vor allem auf der hohen Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit”, sagen die Agenda-Austria-Ökonomen Carmen Treml und Dénes Kucsera. In Kombination mit hohen zusätzlichen Betreuungskosten entstehen mitunter sogar finanzielle Verluste aus einer Vollzeittätigkeit.

Elternkarenz ist Frauensache

Das Agenda Austria-Pendant Momentum Institut hingegen berichtet, dass „die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen der am häufigste angegebene Grund für eine Teilzeitbeschäftigung ist: Mit 39,3 Prozent der Frauen ist mehr als jede Dritte aufgrund von Betreuungspflichten in Teilzeit beschäftigt”.

Auffallend in Österreich ist auch, dass noch immer die Frauen den Großteil der Kinderbetreuung übernehmen: Elternkarenz wird in 96 Prozent aller Partnerschaften von den Müttern in Anspruch genommen. Nur bei einem von drei österreichischen Paaren mit Kind arbeiten beide Eltern Vollzeit – zum Vergleich: der EU-Schnitt liegt bei über 50 Prozent.

Der Traum von finanzieller Unabhängigkeit

Im Rahmen einer aktuellen IMAS-Studie für die Erste Group gaben 84 Prozent der Frauen an, dass es ihnen „sehr wichtig“ sei, von anderen Personen finanziell unabhängig zu sein. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 63 Prozent. Die Realität kontrastiert stark damit: Jede vierte Frau gibt an, finanziell von der Familie abhängig zu sein. Bei den Männern sind es nur 12 Prozent.

Hilfreich wäre ein höherer Grad an Interesse und Informiertheit in Bezug auf Finanzthemen. Laut IMAS interesieren sich 46 Prozent der Männer „sehr“ oder „eher“ dafür, bei den Frauen sind es lediglich 35 Prozent. Männer fühlen sich daher deutlich häufiger (49%) gut über Finanzthemen informiert, bei den Frauen halten sich nur 36 Prozent fühlen zumindest „gut“ informiert.

„Umdenken dank Pandemie”

Auch bei der Entwicklung des Frauenanteils in gehobenen Führungspositionen in Österreich ist der Weg zur Geschlechterparität noch ein weiter, zeigt der „Women in Business 2023“ von Dun & Bradstreet (D&B), dem globalen Anbieter von Unternehmensdaten und Analyselösungen, auf. In dem Report wird die Situation in 17 Ländern beleuchtet.

Immerhin: Mit einem Plus von gut 14 Prozent liegt Österreich klar auf dem ersten Platz, was den Zuwachs des Frauenanteils in gehobenen Führungspositionen von Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren angeht.

Die vergangenen drei Jahre „haben in gewisser Weise zu einem Umdenken beigetragen. Flexiblere Arbeitsmodelle, wie sie von den jüngeren Generationen gefordert werden, sind auf dem Vormarsch, die Pandemie hat das Vertrauen in diese Flexibilität gestärkt”, sagt Silke Schulz, Head of People Central Europe, Dun & Bradstreet. Dies biete Frauen neue Möglichkeiten, in Führungspositionen zu gelangen.

Frauen stärken das Nachhaltigkeits-Standing

Für Unternehmen nicht uninteressant: Frauen in Führungspositionen tragen dazu bei, die Position des Unternehmens in Nachhaltigkeitsaspekten zu stärken. So verfügten 65,3 Prozent der Unternehmen in Österreich mit einer Frauenquote von über 50 Prozent in gehobenen Führungspositionen über ein Governance-Ranking von 1 oder 2, so D&B. In dieser Wertung finden Kriterien wie Rechenschaftspflicht des Vorstands, Aktionärsrechte, Unternehmenstransparenz, Einhaltung von Vorschriften sowie Widerstandsfähigkeit und Stabilität des Unternehmens Eingang.

Doch eine aktuelle Studie von Deloitte lässt einen etwas entmutigt zurück: Angesichts des eklatanten Fach- und Arbeitskräftemangels sollte man annehmen, dass die Gleichstellung der Geschlechter im Sinne der Arbeitgeberattraktivität an Bedeutung gewinnt, heißt es dort. Die aktuelle Deloitte Studie zeigt das Gegenteil: Demnach verankern österreichische Betriebe das Thema Chancengerechtigkeit immer seltener in ihren Unternehmenszielen. Gesellschaftliche Umwälzungen bergen zwar auch Chancen für Frauen, geschlechterspezifische Hürden halten sich im Berufsleben aber hartnäckig.

Die Studienergebnisse auf den Punkt gebracht:
  • Rückläufige Bedeutung: Nur bei 41 Prozent (zuvor 50%) der Unternehmen ist Gleichstellung strategisch verankert
  • Langsamer Paradigmenwechsel: Chancengleichheit wird immer seltener an Vollzeit geknüpft
  • Hartnäckige Hürden: Konservative Rollenbilder und unpassende Rahmenbedingungen sind die größten Herausforderungen für Frauen

Beim vorherrschenden Tempo werde erst 2045 eine Gleichheit der Geschlechter in Führungsgremien erreicht, warnt die Management- und Strategieberatungsgruppe sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte.

Frankreich ist Spitzenreiter bei weiblichen Aufsichtsräten

Der Frauenanteil in Aufsichtsräten ist im weltweiten Durchschnitt laut Studie „Women in the Boardroom” seit 2019 um lediglich drei Prozent gestiegen und beträgt aktuell nur 20 Prozent. Frankreich (43%), Norwegen (42%) und Italien (37%) sind im globalen Vergleich Spitzenreiter – dank der hohen gesetzlich vorgeschriebenen Geschlechterquote. In Österreich seien im Durchschnitt 28 Prozent der Aufsichtsratsplätze mit Frauen besetzt – ein Rang im Mittelfeld.

Zudem ist die Verweildauer kurz: In österreichischen Aufsichtsratspositionen sind Frauen im Schnitt 4,9 Jahre tätig, Männer hingegen 7,8 Jahre, so Deloitte.

Online-Simulationstool

In diesem Zusammenhang gibt es ein interessantes Online-Simulationstool „Choose your board”, entwickelt vom Institut für Gender und Diversität in Organisationen der Wirtschaftsuniversität Wien. Unter diesem Link kann man sich als Team-Gestalter erproben: https://www.frauenfuehren.at/simulation/

Die Spielentwicklerinnen bieten Workshops an, in deren Rahmen – neben einem fundierten fachlichen Input zu Grundlagen der Corporate Governance in Bezug auf Nominierungsentscheidungen sowie zur idealen Zusammensetzung von Teams und Diversity in Teams – die Simulation gespielt wird (Kontakt: chooseyourboard@wu.ac.at).

Erfolgsfaktor Chancengleichheit

Das vielfach ungehobene Potenzial der Chancengleichheit wird in der Publikation „Frauen in Führungspositionen – Erfolgreiche Unternehmensführung im Mittelstand” im Kapitel „Erfolgsfaktor chancengleiche Unternehmensführung: Wie Unternehmen von mehr Frauen in Führungspositionen profitieren” von Margarete Schreurs und Tanja Leis beleuchtet.

Das deutsche Personalberatungsunternehmen Strategie:P fasst zusammen: „Frauen den Zugang zu Führungspositionen zu ermöglichen, könnte einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Frauen stellen über die Hälfte der Hochschulabsolventen dar und sind hochqualifiziert. Hinzukommt, dass sie sich in ihrem Führungsverhalten häufig von Männern unterscheiden. Gemischte Führungsebenen zeichnen sich damit durch eine Vielfalt an vertretenen Führungskompetenzen aus. Beispiele für solche, über die gerade Frauen verfügen, sind Kommunikationsfähigkeit, sowie Mitarbeitermotivation und -bindung. Eine ausgewogen besetzte Unternehmensführung kann somit nachweislich erfolgreicher sein”, heißt es. In Österreich ist es wohl kaum anders zu beurteilen.

Diversität pusht Unternehmensattraktivität

Diversität ganz generell kann Produktivität und Attraktivität eines Unternehmens pushen. Die digitale Recruiting-Plattform StepStone hat nach einer Umfrage zwischen Sommer 2020 und Sommer 2021 ein „Whitepaper” dazu verfasst: Unternehmen, die Vielfalt und Gleichstellung leben, erhöhen demnach definitiv ihre Arbeitgeberattraktivität. Ganze 78 Prozent der Befragten möchten in einem Umfeld arbeiten, das von Offenheit und Vielfalt geprägt ist.

Diversität könne in Zeiten des Fachkräftemangels also ein entscheidender Faktor sein. Zum anderen arbeiteten vielfältige Teams erfolgreich, weil sie aus unterschiedlichen Perspektiven bessere Lösungen entwickeln könnten. Ganze 70,1 Prozent der Befragten gaben an, dass Diversity Management einen großen positiven Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen hat, steht im StepStone Diversity Report zu lesen.

equalitA-Gütesiegel und -Award

Fühlt sich ein Unternehmen hier zu Lande dazu berufen, die Attraktivität als Arbeitgeber durch Chancengleichheit zu erhöhen, kann es sich mit dem Gütesiegel equalitA auszeichnen lassen und um den equalitA Award ansuchen.

equalitA ist eine Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft. Zielgruppe sind Unternehmen und Organisationen, die sich besonders für innerbetriebliche Frauenförderung einsetzen. Das Engagement dieser Unternehmen wird mit dem Gütesiegel equalitA ausgezeichnet.

Das Gütesiegel equalitA für innerbetriebliche Frauenförderung wird seit 2020 an Unternehmen, Organisationen und öffentliche Einrichtungen vergeben, die sich besonders für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Das Gütesiegel wird immer für jeweils drei Jahre vergeben. Informationen finden sich hier: https://equalita.aba.gv.at/

Einreichfrist für den equalitA-Award endet bald

Unternehmen, Organisationen und öffentliche Einrichtungen mit dem equalitA Gütesiegel können für besonders innovative Maßnahmen zur innerbetrieblichen Frauenförderung mit dem equalitA Award ausgezeichnet werden.

Es kann insgesamt ein Projekt in maximal zwei Kategorien eingereicht werden. Jede Kategorie wird außerdem in zwei Subkategorien für kleine und mittlere Unternehmen (unter 250 Mitarbeiter*innen) und Großunternehmen (über 250 Mitarbeiter*innen) unterteilt. Die Einreichfrist für die nächste Auszeichnung „equalitA 2023“ endet am 31. März 2023.

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