Buchrezension: Empire of Pain | Imperium der Schmerzen von Patrick Radden Keefe

Der preisgekrönte Autor Patrick Radden Keefe zeichnet das Sittengemälde einer Industriellenfamilie, die die Welt prägt. © Hanser Literaturverlage

Das ist ohne Übertreibung wohl eines der spannendsten und schockierend-faszinierendsten Sachbücher, die ich je gelesen (in diesem Fall als Audiobook gehört) habe. Patrick Radden Keefe, Investigativjournalist des Magazins The New Yorker, zeichnet in “Empire of Pain” die Geschichte der Sackler-Dynastie vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart nach – jener Familie, die für die Opioid-Krise in den USA verantwortlich zeichnet.

“Empire of Pain” ist ein Sittengemälde des Pharma-Kapitalismus und illustriert, wohin grenzenlose Gier, Macht(ansprüche) und unfassbare Kaltblütigkeit führen. Aus einer Rezension: “Eine schier unglaubliche, drei Generationen umspannende Familien- und Unternehmensgeschichte, gegen die ‘Der Pate’ wie eine harmlose Gutenachtgeschichte wirkt.”

2015 betrug das Vermögen der Familie Sackler 14 Milliarden Dollar. Ein Vermögen, das auf ein einziges Medikament zurückzuführen ist: OxyContin, ein stark wirksames, aber auch stark süchtig machendes Opioid, das zum meistverkauften Schmerzmittel in den USA wurde. Hersteller war das Sackler-Unternehmen Purdue Pharma. Die Karriere des Medikaments ist auf ein extrem aggressives Marketing und auf falsche Behauptungen zurückzuführen, mit denen u.a. die FDA getäuscht wurde. OxyContin mache nicht süchtig, behaupteten die Pharma-Vertreter unablässig. Schuld trügen die Verbraucher selbst – indem sie die Dosis erhöhten. Doch Purdue wusste von Beginn an, dass die vorgeschriebene Dosierung nicht reichen würde und Entzugserscheinungen hervorrief. Das führte dazu, dass der Tod durch Opioid-Überdosis zur häufigsten nicht-natürlichen Todesursache in den USA wurde.

Kritiker wurden mundtot gemacht, angestellt, bestochen oder bedroht. Denn die Familie schüttete sich jedes Jahr 700 Millionen Dollar aus – der Pillenverkauf durfte nicht versiegen.

Wie unlautere Werbung funktioniert, das hatte die zweite Generation der Sackler sich von ihrem Vater Arthur Sackler abgeschaut, der als Vater der Pharma-Werbung bezeichnet werden kann. Unter anderem hatte er die ersten Psychopharmaka vermarktet: Librium und Valium (etwa mit erfundenen Ärzten, die die Medikamente empfahlen). Arthur Sackler gründete zahlreiche Unternehmen, u.a. auch die Medical Tribune, und häufte ein beträchtliches Vermögen an, mit dem er Museen, Krankenhäuser oder Universitäten unterstützte.

Imperium der Schmerzen: Eine ebenso packende wie verstörende Familiensaga und ein hoch spannender Justiz-Thriller. Ganz große Empfehlung!

Mag. Isabella Straub ist eine vielfach ausgezeichnete österreichische Schriftstellerin.

Empire of Pain | Imperium der Schmerzen von Patrick Radden Keefe.

Ins Deutsche übersetzt von Gregor Runge.

Das Hörbuch wurde ausgezeichnet gelesen von Julian Mehne (Dauer: fast 22 Stunden).

Hanser Literaturverlage

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