Die “Amtszeit” von Hans Böhm als Vorstandsvorsitzender der Heineken Österreich Tochter Brau Union seit September 2023 verläuft bislang wenig erfolgreich: Das Glaubwürdigkeitsdebakel mit dem Niederfahren der Villacher Brauerei trotz wiederholter Zusagen in der Öffentlichkeit. Kürzlich stellte dann die Bundeswettbewerbsbehörde einen Bußgeldantrag wegen fünf schwerwiegender Vorwürfe von “wettbewerbsverzerrenden Aktivitäten”, die bis heute nicht entkräftet werden konnten. Wenige Tage danach besetzt er die Nachfolge der scheidenden Doyenne der Bierkultur in Österreich, Gabriela Maria Straka, mit der branchenfremden Daniela Winnicki, die ohne relevante Erfahrung und Marktkenntnisse in Österreich die Konzernkommunikation leiten soll. Unklar ist, wer die aufgebauten Nachhaltigkeitsagenden von Straka übernehmen soll.
Glaubwürdigkeit beschädigt
Bei seinem Antritt wirkte der neue holländische Vorstandsvorsitzende mit dem österreichischen Namen durchaus sympathisch und bat um 100 Tage Schonfrist, um sich einarbeiten zu können. Sowohl bei seinem Antritt als auch in den darauf folgenden Pressekonferenzen und Interviews bekräftigte er, die bestehenden Brauereien zu erhalten. Auf konkrete Nachfragen wegen umlaufender Gerüchte bezüglich einer bevorstehenden Schließung der Villacher Brauerei dementierte er mehrfach, nur um kurze Zeit später die Minimalisierung in eine Schaubrauerei und Event-Location zu präsentieren – die in der kurzen Zeit zwischen seinen wiederholten Zusagen und der Projektpräsentation nicht entstanden sein kann. Der Business Case dahinter erschießt sich nicht, wenn ein gutgehender, moderner, renommierter Traditionsstandort niedergefahren und die Produktion des Villacher Biers nach Graz verlagert wird.
Milliardenklage der Bundeswettbewerbsbehörde
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erhebt schwerwiegende Vorwürfe und stellte kürzlich einen Strafantrag wegen marktverzerrender Aktivitäten. Zu rechnen ist mit bis zu 10 Prozent des Umsatzes des Biergiganten Heineken, der im Vorjahr EUR 36 Milliarden betrug. Damit droht eine Strafe von bis zu 3,6 Milliarden. Wir haben berichtet. Die BWB spricht dabei davon, dass Händlern oft ein Verbot zum Anbieten von Konkurrenzprodukten auferlegt worden sei, und dass Händler, die das nicht akzeptierten, mit Vertragskündigungen bedroht wurden u.v.m. Der Strafantrag wurde unter anderem mit einer Hausdurchsuchung in der Linzer Zentrale abgesichert. Böhm sprach diesbezüglich von “Missverständnissen”, die er aufklären wolle. Die BWB hatte jedoch diese Gelegenheit bereits gegeben und stellte fest, dass Böhm die Vorwürfe nicht entkräften konnte – weshalb es eben zu dem nunmehrigen Strafantrag kam. Für die Klage in Österreich haftet die österreichischen Tochter Brau Union gemeinsam mit dem Mutterkonzern Heineken – der selbst seit 8 Jahren mit einem stagnierenden Aktienkurs kämpft: Bei viel Auf und Ab entwickelt sich der Kurs seitwärts und liegt heute auf dem Niveau von 2016. Die Auswirkungen der aktuellen Krise des Konzerns im Investorenumfeld bleibt abzuwarten.
Ikone verlässt den Konzern: Gabriela Maria Straka geht
Während die Meldung über den Abgang der Doyenne der österreichischen Bierkultur wie eine Bombe in der Medienöffentlichkeit einschlug, ist klar, dass bei einer bereits geregelten Nachfolge diese Entscheidung wohl nicht gestern gefallen war. Gabriela Maria Straka war 12 Jahre lang die strahlende Außenwirkung des Konzerns in Österreich und trug maßgeblich zur positiven Wahrnehmung in der Öffentlichkeit bei. Dass sich jemand mit mehrfachen Auszeichnungen im Bereich der Konzernkommunikation und im Bereich Nachhaltigkeit – und einer durchgehenden Erfolgsgeschichte nach 12 Jahren auch einmal nach anderen Aufgaben umsieht, ist erwartbar. Dennoch kommt dieser Abgang zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für Böhm und Heineken in Österreich. Das gewöhnlich gut informierte Magazin CASH vermutet massive Turbulenzen innerhalb des österreichischen Biermarktführers und spricht von Gerüchten unter Brancheninsidern über eine bevorstehende massive Umstrukturierung.
Zu große Fußstapfen für die Nachfolgerin?
Freilich hinterlässt Straka eine zugegeben schwer zu füllende Lücke. Die Nachfolgerin Daniela Winniki kommt allerdings aus der deutschen Pharmabranche in Berlin, und soll ohne Erfahrung in Krisenkommunikation die Herausforderungen der „hausgemachten Krise“ am turbulenten Biermarkt mit den massiven Vorwürfen gegen die Brau Union meistern. Diese Personalentscheidung Böhms wirkt – auch im Lichte der aktuellen Krise – überraschend.
Über den Konzern Heineken Brau Union Österreich
Zur Heineken Brau Union Österreich gehören neben Heineken, und Desperados, vor allem die Marken wie Gösser, Schwechater, Edelweiss, Schlossgold, Zipfer, Puntigamer, Wieselburger, Kaiser, Schladminger, Schleppe, Reininghaus, Villacher, Linzer Bier, Fohrenburger und Kaltenhausen – und die Cider-Marken Strongbow und Stibitzer.